Tom Inden-Lohmar mit Hut

Interview mit Tom Inden-Lohmar: Alles auf Anfang. Neustart mit 60 5/5 (2)

Tom, du wirst im Sommer 60, ein Alter, in dem viele an den Ruhestand denken. Du gehst genau in die andere Richtung und bist nochmals Start-up-Unternehmer geworden. Wie kam das?

Ich bin ja quasi Serientäter und habe wiederholt in meinem Leben Unternehmen gegründet. Zudem bin ich Buchautor, Coach und Key-Note-Speaker.

Und ja, mir ist vor einigen Wochen klar geworden, dass ich in diesem Alter angekommen bin. Weil mir eine Versicherung geschrieben hat, dass eine 1992 abgeschlossene Lebensversicherung auszahlungsreif ist.

Dann fiel mir ein, dass dies das Jahr war, in dem ich mich mit meiner Agentur selbstständig gemacht hatte. Und vor 30 Jahren war mein Ziel: Mit 59 ist definitiv Schluss. Deswegen war diese Versicherung so terminiert. Sie reicht aber nicht, um mich zur Ruhe zu setzen, aber sie gibt mir für die Gründung meiner neuen Unternehmen eine gewisse Entspanntheit.
Aber selbst wenn ich die Millionen auf der Seite hätte, könnte ich mir nicht vorstellen, nichts mehr zu machen.

Tom Inden-Lohmar, Portrait Halbprofil
Voller Energie und guter Ideen: Tom Inden-Lohmar gründet lieber neue Unternehmen, als sich auf alten Erfolgen auszuruhen.
Tom Inden-Lohmar, Portrait von vorne
Mr. Metaverse Tom Inden-Lohmar

Warum? Wie war mit Anfang 30 deine Vorstellung vom Ruhestand?
Reisen, lange schlafen, Party machen, deine Ruhe haben?

Mit 30 war meine Lebenssituation eine komplett andere. Ich war ein junger 3-facher Familienvater, ich bin schon mit 23 Jahren das erste Mal Vater geworden. Ich wohnte in einer Doppelhaushälfte in einer gleichförmig aussehenden Reihenhaussiedlung und mein Leben war zementiert. Es war klar, ich bleibe in der Kleinstadt bei Köln. Und meine Eltern, mein Bruder und die Familie meiner Frau wohnten alle im selben Ort. Es war ein Leben im Radius von 500 Metern. Damals träumte ich vermutlich davon, eine Wohnung auf Mallorca zu haben, um die Hälfte des Jahres dort zu verbringen.

Und nun bist du 59 und denkst dir: Rente? Nee!!!

Ja, aber man muss bedenken: Mein Leben als Selbstständiger war die letzten 30 Jahre eine echte Achterbahnfahrt. Daher bin ich wirtschaftlich nicht in der Lage zu sagen, dass ich gar nichts mehr mache. Ein bisschen muss ich also noch Geld verdienen.

Aber das ist nicht der einzige Grund. Ich war grade mit einem Freund Mittag essen und fragte ihn nach einem gemeinsamen Bekannten. Der ist gerade 61, ich folge ihm auf Instagram. Er war früher Vice President in einem großen Konzern, wird also gut verdient und eine entsprechende Pensionszusage haben. Die Antwort war: Der hat sich seine Halbwertzeit ausgerechnet und geht davon aus, dass er noch bis 78 leben wird. Dann hat er sich sein Vermögen angeschaut und festgestellt: Das reicht bis dahin, wenn ich keine großen Sprünge mache. Also mach ich ab sofort nichts mehr. Das war vor sechs Monaten. In der Zwischenzeit hat er sich ein kleines Atelier gemietet, er ist aber überhaupt kein Künstler. Hin und wieder geht er hin und malt ein Bild, langweilt sich sonst zu Hause. Denn er weiß nicht, wie er sich beschäftigen kann, hat aber auch keine Lust, ins Atelier zu gehen. Seine Frau ist noch berufstätig und aktuell im Homeoffice. Dort nerven sie sich gegenseitig. Dies ist tatsächlich kein Lebensmodell, das für mich in Frage käme.
Ganz im Gegenteil. Ich kann mir aber auch nicht mehr vorstellen, einen Job zu haben, in dem ich viel Druck habe. Bei dem ich zum Beispiel dringend Kunden akquirieren müsste.

Wenn ich in der Situation von diesem Bekannten wäre und genug Geld hätte, würde ich Bücher schreiben, vor allem Kinderbücher. Denn die werden meist nur von jungen Müttern oder Vätern geschrieben. Es gibt kaum welche, die aus der Sicht der Großeltern berichten. Ich habe so viele Ideen.

Aber was ist jetzt anders für dich als Unternehmensgründer mit fast 60 im Vergleich zu vor 30 Jahren?

Ich lass es deutlich ruhiger angehen. Dieses Überperformen und den Stress will ich nicht mehr. Als ich 1992 meine Agentur gegründet hatte, formulierte ich vor allen Anwesenden bei der Eröffnungsfeier eine klare Vision: Zu meinem 40. Geburtstag will ich einen bezahlten Porsche fahren. Die Betonung lag dabei auf „bezahlt“ und nicht auf Porsche, es hätte auch ein Maserati sein können.
Das wichtigste Ziel war, in 10 Jahren die wirtschaftliche Freiheit zu haben, mir alles kaufen zu können. Meine Gründervison war also rein materiell geprägt.

Das ist jetzt anders. Als ich vor einigen Wochen meinem jüngsten Sohn von meinen neuen Geschäftsideen erzählte, sagte ich ihm, dass ich damit keine Millionen mehr verdienen will. Und da antwortete er, der heute 30 und erfolgreicher Unternehmer ist: „Das ist dein Denkfehler, Dad!“ Und ich antwortete: „Nee, das ist eine andere Form der Existenzgründung!“ Mein Ziel ist nicht mehr, in ein paar Jahren ein Millionen-Unternehmen aufzubauen mit 20 Mitarbeitern. Ich will einfach meine Erfahrungen weiter geben, ich will Spaß am Leben haben, ich will natürlich auch Geld verdienen. Aber ich will nicht mehr getrieben sein und die halbe Zeit irgendwo am Flughafen rumhängen auf dem Weg zu Terminen oder ewig in Video-Calls sitzen.

Ich will vor allem mehr Zeit für mich und meine Familie haben, vor allem für meine kleine Tochter, die jetzt neun Jahre alt ist. Das war mir früher nicht so wichtig. Meine Söhne, zu denen ich heute ein unfassbar gutes Verhältnis habe, sagen, dass sie keine Erinnerung an mich in ihrer Kindheit haben. Klar, ich war ja auch nie da. Meine Entschuldigung damals: Ihr wollt doch alle in Urlaub fahren, schön wohnen können. Das ist dann der Preis, den ihr dafür zahlen müsst. Das ist heute alles anders. Ich muss nicht ständig was Neues kaufen, ich habe auch gar kein eigenes Auto mehr. Das entspannt so sehr, niemandem etwas beweisen zu müssen.

Aktuell wohnst du mitten im Prenzlauer Berg in einer Dachgeschosswohnung.
Wie willst du künftig leben? Wieder auf dem Land?

Ich komme nicht aus Berlin, ich bin erst mit 49 hierher gezogen. Vorher wohnte ich zusammen mit meiner damaligen Frau bei Köln in einem toll umgebauten Bungalow mit großem Garten direkt am Wald. Dann kam die Trennung und das berufliche Angebot, nach Berlin zu ziehen. Ich wollte mitten in die Stadt, das idyllische Leben hatte ich ja lange genug. Mit 50 wurde ich dann überraschend nochmals Vater und Prenzlauer Berg war die erste Wahl. Heute kann mir nicht mehr vorstellen, in einem anderen Bezirk in Berlin zu leben. Aber der Gedanke wird lauter, vielleicht doch wieder ins Grüne zu ziehen. Und weil meine Tochter in Potsdam bei ihrer Mutter lebt, sollte das im Umland von Berlin sein. Seit einigen Monaten habe ich eine neue Freundin und mit der suche ich aktuell das, was wohl alle suchen: einen Dreiseiten-Hof in Brandenburg. Meine kleine Tochter hat schon ihre Wünsche angemeldet, sie will bis zum Jahr 2025 einen Gnadenhof für Tiere haben. Das ist die aktuelle Vision unserer Patchwork-Familie.

Wie suchst du nach diesem Bauernhof im Umland von Berlin?

Bislang über die klassischen Immobilienportale, aber die Angebote reichen von Millionenobjekt bis Bruchbude und noch war nichts Passendes dabei.

Könnt ihr euch auch vorstellen, mit anderen Leuten dieses Wohnprojekt gemeinsam zu planen?
Z. B. als Mehr-Generationen-Haus oder als Co-Living-Projekt? Davon entstehen aktuell in Brandenburg ja einige.

Nee, ehrlich gesagt kann ich mir das mit anderen Eigentümern gemeinsam nicht vorstellen.
Die Vorstellung von Eigentümerversammlungen finde ich genauso grausig wie Elternabende in der Schule.

Wäre dann das Wohnen gemeinsam mit Freunden oder der Familie eine Option?

Schwierig, denn auch da wären Verträge notwendig. Ich hätte immer Angst, dass man die Freundschaft oder das gute Verhältnis riskiert. Was wäre zum Beispiel, wenn sich der beste Freund, mit dem man das gemeinsam macht, sich von seiner Frau trennt und plötzlich eine neue Person dazu kommt, die man nicht mag? Ich finde, dass solche Projekte immer toll klingen, auch mit mehreren Generationen. Aber da muss man der Typ für sein, das bin ich nicht. Ich war auch mein ganzes Leben selbstständig und konnte mir nie vorstellen, angestellt zu arbeiten. Ein Freund von mir meinte einmal, dass ich nicht sozialisierbar sei. Ich bin auch zu wenig diplomatisch, um mit anderen zusammen zu arbeiten.

Wie stellt du dir dann das Leben auf dem Land in einer Dorfstruktur vor?

Ich glaube, da muss man vor allem kommunikativ und gesellig sein, das bin ich. Das Leben auf dem Dorf mit Nachbarn wäre also nicht das Problem. Aber in einem Objekt gemeinsam zu leben, wo man unterschiedliche wirtschaftliche Interessen hat, der Gedanke behagt mir überhaupt nicht.

Noch eine Frage zu einem Thema, was viele gerne verdrängen:
Hast du dich bereits mit dem Thema Testament und Patientenverfügung beschäftigt?

Ich habe im letzten Jahr alle Themen rund um Testament und Patientenverfügung geklärt. Und zu Weihnachten, als ich meine drei Söhne sah, habe ich dies mit ihnen besprochen. Denn mir ist es wichtig, dass sie wissen, dass ich auf keinen Fall irgendwelche leidensverlängernde Maßnahmen wünsche. Für mich ist völlig unvorstellbar, irgend jemandem zur Last zu fallen, gepflegt zu werden oder im Wachkoma zu liegen.

Zurück zu deiner neuen Geschäftsidee: Was planst du?

Mehrere neue Agentur-Projekte. Mit Soul&Silver bringen wir Unternehmen mit Silver-Influencern zusammen, also mit Best-agern 50+. Meine Agentur bringt aber auch „Seele“ mit rein. Ich buche nicht nur irgendwelche Leute, ich berate dazu, was die passende Story sein könnte. Und davon profitieren sowohl die Marken, als auch die Influencer. Die meisten Agenturen behaupten zwar, dass sie das auch machen würden. Aber wenn du dir die Portfolios ansiehst, dann ist da nur junges Gemüse. Fakt ist, dass die Lifestyle-Influencer, die ein Großteil der Creatoren sind, nicht die Vielfalt der Menschen abbilden, die ich vertreten möchte. Meine Erfahrung ist, dass mit zunehmendem Alter das Interesse nischiger wird und mehr in den Special-Interest Bereich geht. Dann folge ich eher jemandem, dessen Erfahrung für mich wichtig ist auf diesem Gebiet. Dafür müssen die Influencer dann doch über 50 sein, damit dies glaubwürdig ist.

Wo kriegst du diese Best-Ager-Influencer her?

Ich habe jetzt 40 InfluencerInnen auf meiner Liste. Ein Kriterium ist eine bestimmte Follower-Zahl. Aber anders als bei den jüngeren Influencern, bei denen Agenturen erst ab 100.000 Followern die Vermarktung übernehmen, wird es auch bei weniger Followern relevant sein. Wichtiger ist die Conversion, ich denke, dass man in der Zielgruppe 50+ mit weniger Followern ähnliche Conversions erzielen kann. Ich glaube, dass unsere Generation eine höhere Markentreue hat, nicht so sprunghaft ist und eher auf Sachen verzichtet, die nicht wirklich überzeugen. Aber wenn man sich entschieden hat, dann bleibt man länger dabei und kauft wieder.

Was ich außerdem mache: ich bilde die Best-Ager-Influencer weiter bezüglich Technik, denn sie sind keine Digital-Natives.
Viele schöpfen die Funktionen ihres Smartphones noch nicht komplett aus. Darum biete ich Workshops dazu an, gemeinsam mit einer jungen Berliner Digitalagentur.

Ein weiteres Thema ist Personal Branding, ich coache die Leute darin, ihre eigene Persönlichkeit zur Brand zu machen. Denn nur dann sind sie unverwechselbar. Es geht nicht darum, dass zum tausendsten Mal eine gut aussehende 50-jährige mit Schaftstiefeln und kurzem Rock zeigt, wie toll und jung sie aussieht. Relevanter sind die Geschichten und Erfahrungen, von denen diese Frau erzählen kann. Und von denen andere etwas lernen könnten.

Und nun zum Schlusswort: 
Was ist für dich jetzt am Wichtigsten?
Was wünscht du dir für die nächsten 20 Jahre?

Ich möchte gerne diese Jahre bei möglichst guter Gesundheit, aber auch einer hohen Lebensqualität verbringen und weiterhin Spaß haben. Ich habe keine Lust, morgens Herztabletten zu nehmen, auf jedes Glas Wein verzichten zu müssen. Ich möchte so weiterleben wie bisher, ohne Einschränkungen.

Das Interview führte Claudia Mattheis, Geschäftsführerin & Chefredakteurin von LIVVING.de

 

Tipp: Eine Fortsetzung des Interviews gibt es hier in unserem LIVVING Podcast: 
Mr. Metaverse Tom Inden-Lohmar: Wie leben Babyboomer im Web 3.0?

 

Kontakt Tom Inden-Lohmar

The Soulmanagers
Giving brands a soul.

www.thesoulmanagers.com

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