Ein Texter Ende 50 klagt über fehlende Antworten auf seine Bewerbungen. Aber liegt es wirklich am Alter, oder spielen auch Wirtschaftslage, Digitalisierung und seine Qualifikation eine Rolle?
Ältere Bewerber werden in der Kreativszene benachteiligt! Das war der Tenor von einem Post, den ein Texter (Ende 50) aus meinem Netzwerk gepostet hatte. Denn auf seine (vermutlich unverlangt) verschickten 50 Bewerbungen haben 47 Agenturen gar nicht reagiert und 3 zumindest mit einer Absage geantwortet.
Sein Fazit daraus: Es kann nur an seinem Alter liegen, schließlich ist er ja ein hochdekorierter Kreativer.
Meine Antwort darauf war: „Dass die Absagen nur altersbedingt sind, glaube ich nicht. Wir als Werbeagentur bekommen derzeit extrem viele Bewerbungen von Textern, die von ihren Agenturen „freigesetzt“ wurden oder als Freelancer keine Aufträge mehr bekommen. Da scheinen Themen wie KI oder die allgemein schlechte Wirtschaftslage eine große Rolle zu spielen. Das betrifft aber auch Fotografen, Lektoren, Übersetzer und Grafiker, die spürbar verstärkt auf Jobsuche sind….“

Altersdiskriminierung als bequeme Ausrede?
Da mich das Thema aber weiter beschäftigt, hier noch einige weitere Gedanken dazu: Ob es den „Jugendwahn“ in anderen Agenturen gibt, kann ich nicht beurteilen. Bei uns jedenfalls nicht, was auch daran liegt, dass mein Mann und ich als Geschäftsführer unserer Werbeagentur im besten Boomer-Alter sind. Ich bin aber durch meine Arbeit für LIVVING.de sehr sensibel dafür geworden, was das Thema Altersdiskriminierung angeht. Denn grade, weil ich sie in so vielen Bereichen unserer Gesellschaft sehe stört es mich, wenn sie missbräuchlich und unreflektiert als Begründung herhalten muss.
Ewiges Lernen statt Ruhm von gestern
Zudem finde es grundsätzlich schwierig, den eigenen Misserfolg nur auf andere zu schieben. Mal ganz davon abgesehen, dass man sich über fehlendes Feedback nicht wundern muss, wenn man eine Massen-Bewerbung abschickt, ohne vorher zu prüfen, ob die Agenturen überhaupt Bedarf haben. Was mich aber wirklich ärgert an vielen Kreativen meiner Generation: Sie ruhen sich zu sehr auf den Erfolgen der Vergangenheit aus. Doch Goldmedaillen und Auszeichnungen aus den 80er, 90er und 00-Jahren sind heute einfach nicht mehr so relevant (außer vielleicht als Deko in der Wohnung und Small-Talk-Thema an der Bar). Was dagegen mehr denn je zählt, ist ein sich permanentes Weiterbilden in Technik und Trends. Und vor allem: Neugierig bleiben!
Unsere Mattheis Werbeagentur gibt es seit fast 30 Jahren und wir haben damit viele andere aus unserer Gründungszeit überlebt. Das ist uns aber nur gelungen, weil wir uns regelmäßig neu erfunden und immer wieder neue Technologien ausprobiert haben (oft als Erste). Nicht alle dieser neuen Geschäftsfelder waren so erfolgreich, wie erhofft. Aber immer haben wir etwas daraus gelernt und uns weiterentwickelt.
Unser Geheimnis für 30 Jahre Überleben in der Werbebranche:
Neugier und Netzwerken
Somit konnten wir den Krisen der letzten Jahren ohne Entlassungen von Mitarbeitern trotzen. Was wir in den 30 Jahren übrigens auch nie vernachlässigt haben, war das Netzwerken im analogen Leben und das ehrenamtliche Engagement für Herzensprojekte. Diese menschlichen Kontakte tragen uns durch schwere Zeiten, eröffnen uns immer wieder neue Horizonte und relativieren viele eigene Probleme. Zudem sorgen sie für gutes Karma, was privat und beruflich auch nicht zu unterschätzen ist.
Mein Tipp: Erfolg in der Kreativbranche hängt heute weniger vom Alter als von Anpassungsfähigkeit, kontinuierlicher Weiterbildung und einem starken Netzwerk ab.
Wer neugierig bleibt und offen für Neues ist, bleibt relevant – unabhängig vom Geburtsjahr.
Autorin: Claudia Mattheis, Geschäftsführende Gesellschafterin der Mattheis Werbeagentur in Berlin
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