Älterer Mann im Anzug steht vor verschlossenem Büro über dem auf englisch steht "Nur für junge K reative"

Ageismus Alarm in Werbeagenturen!!! 5/5 (4)

Ein Texter Ende 50 klagt über fehlende Antworten auf seine Bewerbungen. Aber liegt es wirklich am Alter, oder spielen auch Wirtschaftslage, Digitalisierung und seine Qualifikation eine Rolle?

Ältere Bewerber werden in der Kreativszene benachteiligt! Das war der Tenor von einem Post, den ein Texter (Ende 50) aus meinem Netzwerk gepostet hatte. Denn auf seine (vermutlich unverlangt) verschickten 50 Bewerbungen haben 47 Agenturen gar nicht reagiert und 3 zumindest mit einer Absage geantwortet.
Sein Fazit daraus: Es kann nur an seinem Alter liegen, schließlich ist er ja ein hochdekorierter Kreativer.

Meine Antwort darauf war: „Dass die Absagen nur altersbedingt sind, glaube ich nicht. Wir als Werbeagentur bekommen derzeit extrem viele Bewerbungen von Textern, die von ihren Agenturen „freigesetzt“ wurden oder als Freelancer keine Aufträge mehr bekommen. Da scheinen Themen wie KI oder die allgemein schlechte Wirtschaftslage eine große Rolle zu spielen. Das betrifft aber auch Fotografen, Lektoren, Übersetzer und Grafiker, die spürbar verstärkt auf Jobsuche sind….“

Älterer Mann im Anzug steht vor verschlossenem Büro über dem auf englisch steht "Nur für junge K reative"

Altersdiskriminierung als bequeme Ausrede?

Da mich das Thema aber weiter beschäftigt, hier noch einige weitere Gedanken dazu: Ob es den „Jugendwahn“ in anderen Agenturen gibt, kann ich nicht beurteilen. Bei uns jedenfalls nicht, was auch daran liegt, dass mein Mann und ich als Geschäftsführer unserer Werbeagentur im besten Boomer-Alter sind. Ich bin aber durch meine Arbeit für LIVVING.de sehr sensibel dafür geworden, was das Thema Altersdiskriminierung angeht. Denn grade, weil ich sie in so vielen Bereichen unserer Gesellschaft sehe stört es mich, wenn sie missbräuchlich und unreflektiert als Begründung herhalten muss.

Ewiges Lernen statt Ruhm von gestern

Zudem finde es grundsätzlich schwierig, den eigenen Misserfolg nur auf andere zu schieben. Mal ganz davon abgesehen, dass man sich über fehlendes Feedback nicht wundern muss, wenn man eine Massen-Bewerbung abschickt, ohne vorher zu prüfen, ob die Agenturen überhaupt Bedarf haben. Was mich aber wirklich ärgert an vielen Kreativen meiner Generation: Sie ruhen sich zu sehr auf den Erfolgen der Vergangenheit aus. Doch Goldmedaillen und Auszeichnungen aus den 80er, 90er und 00-Jahren sind heute einfach nicht mehr so relevant (außer vielleicht als Deko in der Wohnung und Small-Talk-Thema an der Bar). Was dagegen mehr denn je zählt, ist ein sich permanentes Weiterbilden in Technik und Trends. Und vor allem: Neugierig bleiben!
Unsere Mattheis Werbeagentur gibt es seit fast 30 Jahren und wir haben damit viele andere aus unserer Gründungszeit überlebt. Das ist uns aber nur gelungen, weil wir uns regelmäßig neu erfunden und immer wieder neue Technologien ausprobiert haben (oft als Erste). Nicht alle dieser neuen Geschäftsfelder waren so erfolgreich, wie erhofft. Aber immer haben wir etwas daraus gelernt und uns weiterentwickelt.

Unser Geheimnis für 30 Jahre Überleben in der Werbebranche:
Neugier und Netzwerken

Somit konnten wir den Krisen der letzten Jahren ohne Entlassungen von Mitarbeitern trotzen. Was wir in den 30 Jahren übrigens auch nie vernachlässigt haben, war das Netzwerken im analogen Leben und das ehrenamtliche Engagement für Herzensprojekte. Diese menschlichen Kontakte tragen uns durch schwere Zeiten, eröffnen uns immer wieder neue Horizonte und relativieren viele eigene Probleme. Zudem sorgen sie für gutes Karma, was privat und beruflich auch nicht zu unterschätzen ist.

Mein Tipp: Erfolg in der Kreativbranche hängt heute weniger vom Alter als von Anpassungsfähigkeit, kontinuierlicher Weiterbildung und einem starken Netzwerk ab.
Wer neugierig bleibt und offen für Neues ist, bleibt relevant – unabhängig vom Geburtsjahr.

Autorin: Claudia Mattheis, Geschäftsführende Gesellschafterin der Mattheis Werbeagentur in Berlin

War dieser Beitrag hilfreich? Hat er Ihnen gefallen?

Das könnte Sie auch interessieren:

Boomer und ihr Konsumverhalten: Qualität, Markentreue, Nachhaltigkeit

Boomer werden in vielen Debatten vorwiegend als Last und nicht selten nur als Pflegebedürftige angesehen. Studien zeigen jedoch, dass die Generation der Boomer den größten Konsummotor darstellen

Interview mit André Scholz: Gepflegt unterwegs – wie Reisen mit Pflegebedarf möglich ist


Was sind barrierefreie Reiseziele? Wie plant der Verein Reisemaulwurf für pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige kostenlos den Urlaub? Und wie kann diese ehrenamtliche Arbeit unterstützt werden?

Interview mit Jo Failer: Frühdemenz mit 52. Ich bin nicht mehr der, der ich war, aber immer noch ich.

Wie trotz unheilbarer Krankheit Leben und Arbeiten möglich sind. Warum Aufgeben keine Option ist. Und welche Unterstützung Erkrankte wirklich brauchen.

Interview mit Felix von Braun: Das gönn ich mir! Luxuswohnen im Alter

Wie Kunst, Kulinarik und Lage echte Lebensqualität bringen und warum sich das Altersbild ändern muss.

Interview mit Katharina Starlay: Alles anders mit Mitte 50 – neues Leben auf Mallorca


Warum eine erfolgreiche Stil-Expertin nach Spanien ausgewandert und beruflich neu gestartet ist – und jetzt 2 Esel als Haustiere hat.


Interview mit Ellen Uloth & Dr. Kerstin Schulenburg: Zuhause für Generationen als Gemeinschaftsprojekt 


Das neue Wohnprojekt in Bad Belzig mit 90 Menschen ist ein Vorbild für Bauen als Genossenschaft. Was ist zu beachten? Was sind Kosten und Risiken?

Interview mit Prof. Dr. Lioba Werth: Über gekonntes Älterwerden und die Pflege von Angehörigen

Warum sind Humor und Selbstbestimmung so wichtig, wenn es um das Alter und die Pflege von Angehörigen geht? Lioba Werth verrät wertvolle Tipps und persönliche Erfahrungen.

Interview: Vom Bürogebäude zur Senioren-WG. Ein Wohnmodell für die Zukunft?

Wie aus einer leer stehenden Büroimmobilie in Berlin ein liebevolles Zuhause für ältere Menschen und ein attraktiver Arbeitsplatz für Pflegekräfte wurde.

Interview mit Michael Schlenke: Lebenslaufbeständiges Wohnen als Zukunftsmodell?

Wie durch kluge Planung Wohnräume für alle Lebensphasen entstehen. Das eigene Zuhause sollte sich dem Leben anpassen – nicht umgekehrt.

Interview mit Michael Conrad: Die Werbelegende über legendäre Slogans, Altersbilder und Neuanfänge

Werbelegende Michael Conrad erzählt über ein erfülltes Leben, warum ältere Menschen gebraucht werden und präsentiert exklusiv seinen Memphis-Song im Johnny Cash-Stil 😉

Interview: Vom Land in die Stadt – warum Andrea nach ihrer Scheidung mit über 60 jetzt in einer Wohngemeinschaft lebt

Andrea ist mit über 60 Jahren nach 30 Jahren Ehe vom Land in die Stadt gezogen in eine WG mit einer fast fremden Person.

Interview mit Christine Erlach: Wie negative Glaubenssätze unser Leben im Alter prägen


Warum „Ich bin zu alt dafür“ nur eine Erzählung ist und wie wir unser Denken aktiv ändern können.