Wie wir die Potenziale einer alternden Gesellschaft besser nutzen. Ein Gespräch über Altersmarketing 2.0: Schluss mit Schubladendenken! • SENovation Award: Senioren bewerten Startups • Fachkräftemangel lösen
Frank Leyhausen ist kein gewöhnlicher Experte für demografischen Wandel sondern ein “Thought leader in longevity“. Mit diesem Selbstverständnis bringt er frischen Wind in die Diskussion über das Altern in unserer Gesellschaft. Im LIVVING Podcast teilt er seine visionären Ideen
Seine Botschaft ist klar: Das Alter birgt enormes Potenzial, das wir bisher kaum nutzen.
Altersmarketing 2.0: Schluss mit Schubladendenken!
“Vergesst alles, was ihr über 50+ Marketing zu wissen glaubt,” könnte Leyhausens Motto lauten. Er kritisiert scharf die gängige Praxis, alle Menschen über 50 in einen Topf zu werfen. Stattdessen plädiert er für einen radikal neuen Ansatz: Konzentriert euch auf Lebenssituationen und individuelle Bedürfnisse!
Frank Leyhausen malt uns ein Bild von der Zukunft:
“Eine nuanciertere Produktentwicklung könnte die Nutzungsdauer erheblich verlängern. Wenn Smartphone-Hersteller ihre Geräte konsequent barrierefrei gestalten, bleiben diese auch für ältere Nutzer länger attraktiv und nutzbar. Stellt euch vor, Samsung und Apple entwickeln ihre Handys so weiter, dass selbst Menschen mit Sehschwäche und eingeschränkter Motorik sie mühelos bedienen können!“
SENovation Award: Wenn Senioren Startups bewerten
Mit dem von ihm initiierten SENovation Award schafft Leyhausen eine Plattform für Startups, die innovative Lösungen für ältere Menschen entwickeln. Ein Kernmerkmal dieses Wettbewerbs ist die “Höhle der Senioren“, in der ältere Menschen selbst innovative Produkte bewerten – und dabei oft kein Blatt vor den Mund nehmen. “Wir haben eine hybride Veranstaltung in Berlin, wo über 30 Hardcore-Berliner Senioren sitzen, die auch mit Berliner Schnauze die Präsentationen begleiten.”
Dieser praxisnahe Ansatz stellt sicher, dass die ausgezeichneten Innovationen tatsächlich den Bedürfnissen älterer Menschen entsprechen und Marktrelevanz besitzen. Eine prämierte Innovation ist zum Beispiel ein System, das über Strom- und Wasserverbrauch ungewöhnliche Aktivitätsmuster erkennt und so die Sicherheit älterer Menschen zu Hause erhöht.
Den Ruhestand neu erfinden
Ein besonderer Fokus des Gesprächs liegt auf der Gestaltung eines erfüllten Ruhestands. Leyhausen betont die tiefgreifenden Veränderungen, die der Eintritt in den Ruhestand mit sich bringt:
“Der Ruhestand verändert dein Leben nachhaltigst wie sonst kaum ein Event. Es verändert sich das Einkommen, die Mobilität, der Status, die Partnerschaft, das Selbstwertgefühl.”
Frank Leyhausen plädiert für eine bessere Vorbereitung auf diese Lebensphase. Sein digitaler „Ruhestands-Navi” und das Buch “Graues Gold statt altes Eisen” sollen dabei helfen, den Übergang aktiv zu gestalten. “Wir versuchen so ein bisschen Reisebegleiter zu sein, wenn du deinen Ruhestand neu gestaltest”, erklärt er.
Fachkräftemangel? Die Lösung liegt in der Generation 60+!
Frank Leyhausen sieht in der Beschäftigung älterer Menschen eine Chance, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Er widerlegt gängige Vorurteile und plädiert für flexible Arbeitsmodelle:
“Die Leute arbeiten in der Regel 14 Wochenstunden, wenn sie im Ruhestand arbeiten, und sind gut ausgebildet. Können Unternehmen da nicht Organisationsformen finden, die das hergeben?”
Dieser Ansatz könnte sowohl für Unternehmen als auch für ältere Arbeitnehmer von Vorteil sein, indem wertvolle Erfahrungen genutzt und gleichzeitig neue Perspektiven für den Ruhestand eröffnet werden.
“Ich nenne immer gerne die NASA als Beispiel, die hat ja ihr Tiger-Team für Voyager und Hubble, das sind alles Ingenieure, die vor 20 Jahren das Ding zusammengeschraubt haben und die werden immer wieder aus dem Ruhestand abgerufen.”
Frank Leyhausens Erkenntnisse im LIVVING Podcast bieten wertvolle Einblicke in die Gestaltung einer Gesellschaft, die den demografischen Wandel als Chance begreift. Seine Ansätze zur Neuausrichtung von Marketing, Innovation und Arbeitswelt im Kontext des Alterns sind nicht nur für Unternehmen und Organisationen relevant, sondern für jeden, der sich mit den Herausforderungen und Möglichkeiten des Älterwerdens auseinandersetzt.
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Interview mit Frank Leyhausen:
Demografischer Wandel als Innovationsmotor
Claudia Mattheis:
Hallo lieber Frank, herzlich willkommen in meinem LIVVING Podcast-Studio.
Frank Leyhausen:
Hallo Claudia, danke für die Einladung.
Claudia Mattheis:
Gerne. Hier bei LIVVING stellen wir uns die Frage, wie wir Menschen 50+ künftig leben wollen. Wir suchen nach möglichen Antworten und Ideen – und genau diese lieferst du uns heute zu drei ganz unterschiedlichen Aspekten. Erstens beschäftigst du dich aus Marketingsicht mit dem vorherrschenden Altersbild und berätst Unternehmen dabei, wie sie ältere Zielgruppen besser ansprechen können. Zweitens hast du 2018 den Senovation Award ins Leben gerufen, bei dem Start-ups ausgezeichnet werden, die innovative Produkte und Konzepte für ältere Menschen entwickeln. Und drittens bewegt dich das Thema, wie ein gelungener Ruhestand aussehen kann. Bevor es konkret um diese drei Schwerpunkte geht, zuerst eine ganz persönliche Frage: Du bist Mitte 50, berätst aber schon seit über 20 Jahren Unternehmen, Behörden und Non-Profit-Organisationen zu den Folgen einer alternden Gesellschaft. Wie bist du in so jungen Jahren zu diesem Thema gekommen?
Frank Leyhausen:
Gezwungenermaßen, muss ich sagen. Ich war im Marketing bei der Deutschen Bankgruppe. Damals haben wir wilde Themen gemacht – wie Internet –, was junge Leute mit Mitte 20 eben so machen. Dann kam jemand aus dem Vertrieb, der damals um die 50 war, und sagte: „Wir müssen mal was für den Markt der grauen Schläfen machen.“
Da ist uns im Marketing kollektiv das Gesicht eingeschlafen. Wir sagten: „Ja, sehr interessant, aber dafür haben wir keine Zeit.“ Er hat das dann ohne uns auf eigene Faust gemacht. Das fiel unserem Vorstand auf, weil sein Umsatz sich in kurzer Zeit verdreifacht hatte. Der Vorstand rief mich daraufhin persönlich an – und das bedeutete damals entweder großes Lob oder einen großen Tritt in den Allerwertesten. Es war Letzteres. Also musste ich am nächsten Tag nach Nürnberg fahren, mir anhören, was der Mann da macht – und das anschließend bundesweit umsetzen.
Das war eine der besten Maßnahmen, die wir je gemacht haben – extrem erfolgreich. Da hat es bei mir Klick gemacht. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich später noch einmal in einem anderen Job. Da habe ich gesagt: „Okay, da ist was dran. Daran bleibe ich.“ Weil es damals keine Beratung zu diesem Thema gab, habe ich das Wissen aus diesen Projekten weitergegeben. Seitdem teile ich meine Erfahrungen und kann gut nachvollziehen, wenn Unternehmen das Thema nicht sehen.
Claudia Mattheis:
Du bezeichnest dich in deinem LinkedIn-Profil als „Thought Leader in Longevity“. Warum? Was heißt das, und was möchtest du damit ausdrücken?
Frank Leyhausen:
„Thought Leader“ sind Vorausdenkende, die Themen strategischer angehen. Ich erlebe oft, dass Unternehmen das Thema Alter als Projekt betrachten – jemand bekommt ein Budget und bastelt etwas herum. Aber nur wenige haben eine Strategie. Ich finde, man muss das langfristiger denken.
„Longevity“ ist ein internationaler Begriff für Langlebigkeit. Es geht dabei nicht darum, wie alt man ist, sondern darum, dass sich unser Leben verlängert – sowohl in der Lebenszeit als auch in den gesunden Lebensjahren. Das finde ich spannend: Mir ist egal, wie alt jemand ist. Es geht mehr um die Frage, welche Herausforderungen und Aufgaben jemand hat.
Am Tag nach meinem 50. Geburtstag hatte ich dieselben Bedürfnisse wie zuvor – ich wollte mir kein Seniorenprodukt kaufen. Das wird mit 60 oder 70 genauso sein. Deshalb finde ich den Fokus auf Lebens- und Gesundheitsjahre viel wichtiger – für Unternehmen und für Menschen.
Claudia Mattheis:
Du schreibst viel darüber, dass du die gängigen Definitionen der Zielgruppe 50+ für problematisch hältst. Warum? Und was wäre deiner Meinung nach eine Alternative?
Frank Leyhausen:
Wir unterteilen in Gruppen wie 50+, 60+, 70+. Das heißt, wir stecken Menschen in Kategorien, um sie homogen zu machen. Aber wenn du 50 bist, liegen noch 30 bis 40 Lebensjahre vor dir – und du packst alle in einen Topf. Da sitzt der 50-jährige Geschäftsführer mit dem dementen 90-Jährigen in einer Zielgruppe. Das macht keinen Sinn.
Kein Unternehmen fährt eine „50-minus“-Strategie – das sagt schon alles. Diese Grenzen sind bequem, weil sie einfach sind. Medien haben das mitgeprägt. Aber sie treffen die Menschen nicht. Niemand identifiziert sich mit seinem Alter. Wenn ich dich als „Mensch über 50“ anspreche, fühlt sich das anders an, als wenn ich dich als Mutter, Ehefrau oder Italien-Fan anspreche.
Man sollte auf Lebenssituationen schauen, nicht auf Lebensjahre: Beginn des Ruhestands, Verlust des Partners, Pflege von Angehörigen – das sind Momente, in denen Menschen neu starten. Solche Übergänge sind die relevanten Anknüpfungspunkte, nicht die Zahl.
Wenn 60+ eine erfolgreiche Zielgruppe ist, dann müsste sie dieses Jahr explodieren – 1,4 Millionen Menschen feiern 60. Geburtstag. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber ich glaube, das Konzept ist überholt.
Claudia Mattheis:
Diese Zielgruppendefinitionen kommen aus der Werbung und haben sicher auch das gesellschaftliche Altersbild geprägt. Was könnten wir tun, um ein positiveres Bild vom Altsein zu fördern?
Frank Leyhausen:
Die Frage ist: Wann ist man alt? 2008 hat die Robert Bosch Stiftung gefragt, wann jemand alt ist. Antwort: Wenn jemand Defizite hat. Also: Sobald du Probleme hast, bist du alt. Deshalb will auch niemand alt werden, weil „alt“ gleich „Problem“ bedeutet. Damals lag das Alter bei „Ende 60“. Eine ähnliche Studie von 2022 sagt: „61“. Das heißt: Gesellschaftlich wird „alt“ jünger – das finde ich faszinierend und erschreckend zugleich. Unsere Jugendkultur wird immer dominanter. Für mich persönlich ist Alter völlig unerheblich. Wenn ich jemanden suche, der mein Auto repariert, ist mir egal, ob der 28 oder 68 ist – Hauptsache, er kann’s. Ich poste dazu gern Beispiele aus der Popkultur: Brad Pitt und George Clooney sind zusammen über 120 – und trotzdem cool. Oder die Red Hot Chili Peppers und Dr. Dre bei der Olympia-Werbung: keiner unter 60.
So sieht Alter heute aus.
Claudia Mattheis:
Du berätst Unternehmen, wie sie Lösungen für eine alternde Gesellschaft entwickeln. Worauf sollten sie achten?
Frank Leyhausen:
Es gibt zwei große Gruppen: Zum einen Unternehmen, die gezielt Produkte für ältere Menschen entwickeln – meist im Gesundheits- oder Pflegebereich. Das ist sinnvoll, weil dort echte Bedürfnisse bestehen. Zum anderen gibt es Firmen aus Bereichen wie Finanzen, Mobilität oder Konsumgüter, die plötzlich feststellen, dass ihre Kundschaft älter wird. Dann heißt es: „Große Knöpfe, große Buchstaben“ – was meist für Hochbetagte gedacht ist. Mein Ansatz: Schaut euch an, wer in euren Produktentwicklungsprozessen sitzt. Oft hören Panels bei 50 auf. Warum nicht 60- oder 70-Jährige einbeziehen?
Ich bin überzeugt, dass man bis 70 oder 75 jedes normale Produkt nutzen kann, wenn es gut gemacht ist. Niemand will ein Senioren-Handy, wenn ein iPhone funktioniert. Deshalb: altersgemischte Teams, Vielfalt, Inklusion – das bringt bessere Produkte. Wir haben z. B. mit dem Fraunhofer-Institut ältere Menschen in Innovationsprozesse eingebunden. Die Ergebnisse waren Lösungen, die allen Generationen nützen – nur eben mit besonderem Mehrwert für Ältere.
Claudia Mattheis:
Zumal Einschränkungen auch Jüngere betreffen können – zum Beispiel bei Multipler Sklerose oder nach Unfällen.
Frank Leyhausen:
Genau. Frag mal eine Mutter mit Kinderwagen und jemanden mit Rollator nach ihren Mobilitätsbedürfnissen – die Antworten ähneln sich sehr.
Claudia Mattheis:
Du hast gerade altersgemischte Teams angesprochen. Damit kommen wir zu deinem Gründerpreis, dem Senovation Award. Wie bist du auf die Idee gekommen, ihn ins Leben zu rufen?
Frank Leyhausen:
Ich war zwischen 2015 und 2018 regelmäßig in den USA. Dort war die Gründerszene beim Thema Alter schon weiter, obwohl die Gesellschaft viel jünger ist als unsere. Ich dachte: Das brauchen wir auch in Deutschland. Wir könnten ein „Living Lab“ für internationale Innovationen sein. Die Idee fand anfangs wenig Unterstützung – es dauerte zwei Jahre, bis wir Sponsoren hatten. Aber inzwischen hat sich der Award über sieben Jahre etabliert.
Claudia Mattheis:
Beim Senovation Award gibt es ja die „Höhle der Senioren“. Was hat es damit auf sich?
Frank Leyhausen:
(lacht) Ja, genau. Ich kann ja schlecht sagen „Setzt mehr Ältere an den Tisch“ und es dann selbst nicht tun.
Deshalb haben wir die Bewerbungsphase zweigeteilt: In der ersten Runde präsentieren die Start-ups vor potenziellen Kundinnen und Kunden – meist ältere Menschen oder Angehörige. Denn oft kaufen die Angehörigen, nicht die Senioren selbst.
So stellen wir sicher, dass die Lösungen, die ins Finale kommen, auch Akzeptanz im Markt haben.
In der zweiten Phase – der „Höhle der Senioren“ – sitzen rund 30 Berliner Seniorinnen und Senioren, die mit Berliner Schnauze ehrlich bewerten. Einmal sagte einer nach einer Präsentation trocken: „Jungchen, das wird nix.“
Das ist manchmal hart, aber unglaublich wertvoll. Wir vergeben Punkte von 1 bis 6, und die besten kommen ins Finale.
Mir ist wichtig, dass wir keine Produkte prämieren, die am Bedarf vorbeigehen. Viele Start-ups holen sich nachher Feedback, um sich zu verbessern – das finde ich großartig.
Claudia Mattheis:
Welche Produkte wurden denn dieses Jahr ausgezeichnet?
Frank Leyhausen:
Gesundheit, Pflege, Mobilität und Wohnen sind immer große Themen.
Dieses Jahr hatten wir zwei Start-ups zum Thema Wohnen: eines war eine begleitete Tauschbörse zwischen Jung und Alt.
Gewonnen hat aber ein Projekt aus einer Universität: ein verhaltensbasierter Hausnotruf.
Über Strom- und Wasserverbrauchsdaten erkennt das System Unregelmäßigkeiten – etwa, wenn jemand morgens nicht wie gewohnt Wasser nutzt. Dann wird eine Alarmkette ausgelöst.
Die Idee entstand, weil die Mutter eines der Gründer im Notfall ihren klassischen Notrufknopf nicht trug.
Das System nutzt neue Smart-Meter-Daten, die ab 2026 ohnehin in allen Haushalten Pflicht sind. Es funktioniert also ohne Kamera und ohne zusätzliche Geräte. Ein wirklich cleveres Konzept.
Claudia Mattheis:
Gibt es das Produkt schon?
Frank Leyhausen:
Es befindet sich im erweiterten Feldtest – unter anderem bei großen Organisationen wie Malteser oder Johanniter. Der Vertrieb soll über Wohnungsbaugesellschaften laufen. Und ja, es hat bereits Leben gerettet.
Claudia Mattheis:
Das Thema „Wohnen im Alter“ wird sicher weiter wachsen. Wie siehst du die Start-up-Branche im Bereich AgeTech in Deutschland?
Frank Leyhausen:
Sie wird besser. Anfangs gab es mehr Bewerbungen, aber mit unausgereiften Ideen. Heute sind die Konzepte durchdachter.
Trotzdem bleibt es ein Nischenthema. AgeTech liegt irgendwo zwischen PropTech, FinTech, HealthTech – schwer zu verorten.
Ich glaube, es funktioniert besser, wenn man aus der Altersblase rausgeht: Ein Start-up sollte sich über die Funktion definieren, nicht über das Alter der Zielgruppe.
Richtig spannend wird es im Bereich Longevity und Biotech – also Forschung zu Zellalterung und Lebensverlängerung. Da passiert international viel. In Deutschland eher weniger.
Claudia Mattheis:
Kommen wir zu deinem aktuellen Lieblingsthema: dem Ruhestand. Du hast ein digitales „Ruhestandsnavi“ entwickelt und betreibst den Podcast Mission Ruhestand. Warum ist das Thema für dich so wichtig?
Frank Leyhausen:
Weil es viele betrifft. In den nächsten fünf Jahren gehen Millionen Menschen in Rente.
Der Ruhestand verändert das Leben stärker als fast jedes andere Ereignis: Einkommen, Partnerschaft, Status, Selbstwert – alles wandelt sich. Und das von einem Tag auf den nächsten.
Nur etwa ein Viertel der Menschen bereitet sich überhaupt darauf vor, meist finanziell. Die meisten sehen sich in einem endlosen Urlaub. Nach einem Jahr kommt dann oft die Frage: „Was mache ich eigentlich jetzt?“ Der Ruhestand dauert im Schnitt 20 Jahre – das ist eine lange Phase.
Gleichzeitig herrscht Fachkräftemangel. Wir wollen beides zusammenbringen: Menschen, die im Ruhestand aktiv bleiben möchten, und Unternehmen, die Erfahrung brauchen. Viele Ruheständler wollen gar nicht Vollzeit arbeiten, sondern 10–15 Stunden pro Woche. Unternehmen könnten davon profitieren – aber oft fehlt die Flexibilität.
Claudia Mattheis:
Warum tun sich Unternehmen so schwer damit?
Frank Leyhausen:
Viele denken, wenn jemand mit 65 weitermacht, will er denselben Job zu derselben Bezahlung. Das stimmt kaum. Andere sagen: „Zu teuer, zu kompliziert arbeitsrechtlich.“ Aber mit Modellen wie Arbeit auf Abruf oder befristeten Projekten ginge das gut. Ich glaube, der Druck wird bald so groß, dass sich das ändert. Es ist schlicht notwendig.
Claudia Mattheis:
Du hast auch ein Buch geschrieben: Graues Gold statt altes Eisen, das im November 2024 erscheint. Was erwartet die Leserinnen und Leser darin?
Frank Leyhausen:
Ich habe es zusammen mit Anja Klute geschrieben, mit der ich auch Ageforce gegründet habe.
Es ist ein Workbook in zwei Teilen: Im ersten geht es um Selbstreflexion – was will ich, was kann ich, was brauche ich im Ruhestand? Im zweiten Teil wird es konkret: Wie finde ich eine ehrenamtliche oder berufliche Aufgabe? Wie gründe ich vielleicht selbst etwas? Wie piche ich mich selbst – also wie stelle ich mich in drei Minuten vor? Wir wollen Mut machen, den Ruhestand aktiv zu gestalten. Finanzen und Gesundheit streifen wir nur, weil dazu schon viel existiert – uns geht es um die persönliche Neuorientierung.
Claudia Mattheis:
Und zum Abschluss: Wie möchtest du selbst in Zukunft leben und arbeiten?
Frank Leyhausen:
Ich möchte so weiterarbeiten wie bisher – solange mich jemand haben will. Ich bin seit 2000 selbstständig und will nicht mehr in Konzernstrukturen zurück. Ich wohne im Kölner Süden in einer fast barrierefreien Wohnung. Vielleicht kommt irgendwann ein Treppenlift dazu. Aber eigentlich ist alles ideal: Ich kenne mein Viertel, die Leute, es ist fußläufig, nah am Rhein, gut angebunden – so kann es gerne die nächsten 30 Jahre bleiben.
Claudia Mattheis:
Na dann drücken wir mal die Daumen.
Frank Leyhausen:
Dankeschön.
Claudia Mattheis:
Lieber Frank, herzlichen Dank für die spannenden Einblicke.
Frank Leyhausen:
Danke dir, Claudia, für die Zeit.
Claudia Mattheis
Claudia Mattheis (Jahrgang 1966) bringt mit 30 Jahren Führungserfahrung als Geschäftsführerin einer Werbeagentur und Chefredakteurin von Print- und Online-Medien strategische Expertise und ein starkes Netzwerk mit. Diese Kombination bildet das Fundament für ihre Mission: LIVVING.de zur führenden deutschsprachigen Plattform für Wohnen & Leben 50plus zu entwickeln. Ihre Leidenschaft für zielgruppengerechte Kommunikation verbindet sie mit einem tiefen Verständnis für die Bedürfnisse der Generation 50plus. Als versierte Netzwerkerin schafft sie Verbindungen zwischen Partnern, die gemeinsam die Lebenswelt einer wachsenden demografischen Gruppe neu denken wollen. Mit ihrem Mann Siegbert Mattheis lebt sie in Berlin-Prenzlauer Berg.
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