Barbara Jaeschke, lächelnd in einer gemusterten Strickjacke und Goldschmuck, posiert für ein Interview auf Unternehmensnachfolge.

Interview mit Barbara Jaeschke: Wie erfolgreiche Unternehmensnachfolge gelingt 5/5 (2)

Selbstbestimmung, Vertrauen und die Kunst des Loslassens: Eine Berliner Unternehmerin gibt Tipps für den perfekten Generationswechsel.

Wenn es um Unternehmensnachfolge geht, scheitern viele an einem entscheidenden Punkt: dem Loslassen. Barbara Jaeschke zeigt, wie es anders geht. Die 70-jährige Gründerin des GLS Sprachenzentrums in Berlin führt seit 2016 ihr Unternehmen erfolgreich gemeinsam mit ihren beiden Töchtern und beweist dabei, dass eine gelungene Übergabe mehr ist als nur ein Generationenwechsel.

1983 als junge Mutter gegründet, ist aus dem GLS Sprachenzentrum heute ein florierendes Unternehmen mit 170 Mitarbeitenden geworden. Der Campus in Berlin-Prenzlauer Berg umfasst zwei Hotels, eine Sprachschule für Schüler und Erwachsene sowie ein weltweites Sprachreisenprogramm. Seit 2023 gehört auch die Villa Bleichröder, ein denkmalgeschütztes Boutique-Hotel auf Usedom, zur Unternehmensgruppe.

Im Gespräch mit Claudia Mattheis erklärt Barbara Jaeschke, warum Vertrauen der Schlüssel zum Erfolg ist, welche Fehler andere Unternehmer bei der Nachfolge machen und warum Sprachen lernen auch mit 70 noch bereichernd ist.

 

Die wichtigsten 5 Erkenntnisse aus dem Interview

  1. Nachfolge braucht Zeit und Vertrauen:
    Erfolgreiche Übergabe funktioniert nur, wenn Nachfolger echte Entscheidungsfreiheit bekommen – nicht erst beim Tod des Gründers.
  2. Patriarchalisches Denken schadet:
    Wer bis zum Tod alles kontrollieren will, vertreibt gute Nachfolger und gefährdet das Unternehmen.
  3. Früh anfangen lohnt sich:
    Mit 50 sollten Unternehmer bereits an die Nachfolge denken, denn mit 80 ist es meist zu spät.
  4. Struktur schlägt Bauchgefühl: 

    Die nächste Generation bringt oft professionellere Prozesse mit, die das Unternehmen stärken.
  5. Lebenslang lernen hält jung: 

    Sprachen lernen und Reisen sind auch mit 50plus eine Bereicherung für Geist und Seele.

Warum wir Barbara Jaeschke eingeladen haben

Weil sie zeigt, dass erfolgreiches Unternehmertum kein Alter kennt. Weil sie beweist, dass Loslassen nicht Schwäche, sondern Stärke bedeutet. Und weil sie in jeder Antwort spüren lässt, dass Selbstbestimmung und Vertrauen die Basis für nachhaltigen Unternehmenserfolg sind.

Von der Lehrerin zur Unternehmerin

Der Mut zur Selbstbestimmung

„Ich wollte selbstbestimmt arbeiten”, erklärt Barbara Jaeschke ihre Motivation zur Gründung 1983. Als studierte Lehrerin für Englisch und Russisch – letzteres eine damals sehr ungewöhnliche Wahl im Westen – hatte sie nach dem Studium keine Stellenaussicht. „Das hat letztlich auch zu meiner Entscheidung beigetragen, mich selbstständig zu machen.”

Die Sehnsucht nach Autonomie trieb sie an: „Als Arbeitnehmer ist man immer fremdbestimmt, zwangsläufig. Ich bin auch fremdbestimmt – durch Banken, durch Kunden, durch Mitarbeiter – aber das ist eine andere Fremdbestimmung. Im Endeffekt kann ich viel alleine entscheiden und bestimmen. Das finde ich toll.“

Der Generationswechsel: Wie Vertrauen Unternehmen stärkt

Wenn aus „Never ever“ plötzlich Begeisterung wird

Der Weg zur gemeinsamen Führung war nicht vorgezeichnet. „Ich muss ehrlich sagen, ich bin ja wirklich sehr, sehr glücklich, dass ich die Möglichkeit habe, zwei Töchter in die Firmenleitung zu nehmen. Und ich muss sagen, das war am Anfang nicht so. Als die Kinder 14, 16 waren, sagten sie ‚um Gottes willen, nie GLS!’“

Doch nach ihrer Promotion stiegen beide Töchter freiwillig ein, ein Wendepunkt, der das Unternehmen revolutionierte. „Das ist eine echte Bereicherung“, betont Jaeschke. Der Schlüssel zum Erfolg? „Jungen Leuten, die gut sind – und meine Töchter sind sehr, sehr gut –, muss man Freiheiten lassen, Selbstbestimmung, eigene Entscheidungen. Dann klappt das auch.“

Die Gefahr des patriarchalischen Denkens

Barbara Jaeschke hat aus den Fehlern anderer gelernt: „Ich habe viel aus der IHK gelernt. Ich habe viele alte Patriarchen gesehen, die haben nicht losgelassen. Die haben einfach immer noch bestimmen wollen, und das ist verkehrt.“ Ihr Credo: „Ich wollte nicht, dass meine Töchter auf meinen Tod warten müssen, sondern habe ihnen vorher die nötigen Freiheiten gegeben.“

Diese Haltung zahlt sich aus: „Gute Leute oder gute Nachfolger hauen ab, wenn sie nicht genug Freiheiten haben, weil dann können sie sich nicht entwickeln.“

Praktische Umsetzung: Wie drei Chefinnen funktionieren

Autonomie statt Mikromanagement

Heute arbeiten die drei Frauen in klar definierten Bereichen: „Jeder hat seinen Bereich, der ist auch definiert, sodass wir uns nicht so viel in die Quere kommen. Wir sitzen auch alle drei in drei verschiedenen Gebäuden. Wir haben unterschiedliche Schwerpunkte in der Firma.“

Die Aufgabenverteilung entstand organisch: Die mittlere Tochter betreut mit ihrer Mutter die Schule, die große Tochter führt Gastronomie, Hotel und Eventmanagement, Barbara Jaeschke selbst kümmert sich um die Sprachreisen. „Warum? Weil kein anderer wollte die Sprachreisen. Ich finde die Sprachreisen schön und ich mag die immer noch sehr gerne.“

Corona als Bewährungsprobe

Wenn Krisen zeigen, was Nachfolger können

Die Corona-Pandemie brachte massive Herausforderungen: „Unheimliche Umsatzeinbrüche, Buchungsrückgänge, Stornierungen ohne Ende. Es war richtig eine harte Zeit.“ Doch gerade in dieser Phase zeigten die Töchter ihre Stärken: „Meine Töchter haben dann tatsächlich auch ordentlich aufgeräumt. Sie haben Produkte ausgemistet, Produkte, die keine Marge machen oder nur sehr geringe.“

Das Ergebnis: „Programme, die nur Arbeit kosten, aber kein Geld bringen, können wir vergessen.“ Eine schmerzhafte, aber notwendige Entscheidung, die das Unternehmen stabilisierte.

Sprachreisen 50plus: Bildung kennt kein Alter

Warum Lernen im Alter eine Bereicherung ist

„Der Mensch ist eigentlich ein kommunikatives Wesen. Wir holen uns Energie und Bereicherung aus Kontakten mit Menschen“, erklärt Barbara Jaeschke die Faszination für Sprachreisen im Alter. Das Angebot richtet sich bewusst an Menschen ab 30: „Auch über 60-Jährige wollen nicht in die Schublade Senioren gepackt werden. Sie wollen mit jungen Leuten zusammenkommen.“

Die Vorteile liegen auf der Hand: „Man fährt ins Ausland, hat dort ein ganz anderes Umfeld, lernt tolle neue Menschen kennen und hat tagsüber vier oder sechs Stunden Beschäftigung. Man hat also keine Langeweile.“ Viele werden zu Wiederholungsbuchern: „Wir haben Leute, die buchen jedes Jahr einmal so einen 30plus-Kurs.“

Warum Arbeit auch mit 70 erfüllend sein kann

Motivation jenseits der Rente

Obwohl sie längst hätte aufhören können, arbeitet Barbara Jaeschke weiter mit Begeisterung: „Das ist ja auch langweilig. Ich arbeite gerne. Ich bin auch gerne noch in der Firma involviert. Ich liebe die Menschen, mit denen ich Kontakt habe.“

Ihre Arbeitszeit hat sie von früher 60 Stunden auf heute etwa 40 reduziert. „Früher bin ich um vier nach Hause, dann waren die Babysitter fertig. Dann habe ich um 8 noch mal ordentlich angefangen, bis um 12 oder 1. Warum ging es? Weil mir meine Arbeit und meine Firma ganz viel Spaß gemacht hat.“

Warum Sie dieses Podcast-Interview hören sollten?

Weil Barbara Jaeschke zeigt, dass erfolgreiche Unternehmensnachfolge möglich ist, wenn man rechtzeitig anfängt und den Mut zum Loslassen hat. Weil sie beweist, dass Arbeiten im Alter erfüllend sein kann, wenn es selbstbestimmt geschieht. Und weil sie Inspiration gibt für alle, die vor der Frage stehen: Wie übergebe ich mein Lebenswerk an die nächste Generation?

Wer verstehen will, wie Familienunternehmen auch über Generationen hinweg erfolgreich bleiben können, sollte dieses Gespräch nicht verpassen.

Weitere Informationen finden Sie hier:

LinkedIn Profil Barbara Jaeschke
GLS Sprachenzentrum
Hotel Oderberger
Villa Bleichröder

Barbara Jaeschke, lächelnd in einer gemusterten Strickjacke und Goldschmuck, posiert für ein Interview auf Unternehmensnachfolge.

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Interview mit Barbara Jaeschke:
Wie erfolgreiche Unternehmensnachfolge gelingt

 

Claudia Mattheis:
Herzlich willkommen in meinem LIVVING Podcast Studio. Liebe Barbara Jaeschke, ich habe Sie unter anderem eingeladen, weil Sie ein wunderbares Beispiel dafür sind, wie ein erfolgreiches Unternehmen an die nächste Generation weitergegeben werden kann.

Sie haben 1983 das GLS Sprachenzentrum gegründet, das heute in Berlin-Prenzlauer Berg ansässig ist. Dort betreibt GLS einen eigenen Campus mit zwei Hotels und einer Sprachschule für Schülerinnen und Erwachsene. Außerdem bieten Sie Sprachreisen in die ganze Welt für alle Altersgruppen an. Seit 2023 gehört zur Unternehmensgruppe auch die Villa Bleichröder, ein denkmalgeschütztes Boutique-Hotel auf Usedom. Etwa 170 Mitarbeitende gehören zum festen Team. Seit 2016 führen Sie das Unternehmen gemeinsam mit Ihren beiden Töchtern. Und auch mit über 70 Jahren sind Sie immer noch aktiv in der Geschäftsleitung. Das gibt viel Gesprächsstoff.

Mich interessiert zum Beispiel: Wie funktioniert so ein Generationswechsel in der Praxis? Was motiviert Sie auch heute noch weiterzumachen? Und was können gerade Menschen ab 50 von Sprachenreisen und lebenslangem Lernen mitnehmen? Ich freue mich sehr, dass Sie heute hier sind, liebe Frau Jaeschke.

Barbara Jaeschke:
Vielen Dank für die netten Worte. Erfolgreich klingt gut.

Claudia Mattheis:
Dann starten wir gleich mit der ersten Frage: Sie stehen für gelebtes Unternehmertum. Wie erklären Sie einer Person, die Sie nicht kennt – und es mag außerhalb Berlins vielleicht nur wenige geben –, was GLS heute ist?

Barbara Jaeschke:
GLS verbindet Bildung und Sprache. Wir bieten Sprachkurse sowohl in Berlin an als auch weltweit. Wir schicken Menschen in die ganze Welt und haben Bildungsprogramme hier vor Ort oder im Ausland.

Claudia Mattheis:
Sie haben 1983 als junge Mutter gegründet. Was hat Sie damals angetrieben? Und wie viel davon prägt Sie noch heute?

Barbara Jaeschke:
Ich glaube, mich hat die Aussicht angetrieben, selbstbestimmt zu arbeiten. Als Arbeitnehmerin ist man immer fremdbestimmt – zwangsläufig. Ich bin zwar auch fremdbestimmt, etwa durch Banken, Kunden oder Mitarbeiter, aber das ist eine andere Art von Fremdbestimmung. Am Ende kann ich viel allein entscheiden und bestimmen. Das finde ich toll.

Claudia Mattheis:
Das war also schon damals Ihr Antrieb.

Barbara Jaeschke:
Genau.

Claudia Mattheis:
Sie sind eigentlich studierte Lehrerin, oder? Sie haben Lehramt studiert.

Barbara Jaeschke:
Ja, ich bin vollqualifizierte Gymnasiallehrerin für Englisch und Russisch. Russisch habe ich damals im Westen studiert – das war sehr ungewöhnlich. Nach der Ausbildung hatte ich kaum Stellenaussichten. Das hat letztlich auch zu meiner Entscheidung beigetragen, mich selbstständig zu machen.

Claudia Mattheis:
Seit einigen Jahren führen Sie das Unternehmen nicht mehr allein, sondern seit 2016 gemeinsam mit Ihren beiden Töchtern. Wie haben Sie diesen Übergang gestaltet? Und wie kam es dazu?

Barbara Jaeschke:
Ich bin wirklich sehr glücklich, dass ich die Möglichkeit habe, meine beiden Töchter in die Firmenleitung aufzunehmen. Am Anfang, als die Kinder 14 oder 16 waren, sagten sie: „Um Gottes willen, nie GLS!“ Warum nicht? Ich fand es ja toll. Aber sie meinten: „Ihr redet immer nur über GLS.“ Trotzdem sind sie nach ihrer Promotion freiwillig bei mir eingestiegen. Das ist eine echte Bereicherung.

Wie das funktionieren kann? Ich habe viel von der IHK gelernt. Ich habe viele alte Patriarchen gesehen, die nicht loslassen konnten. Die wollten immer noch alles bestimmen – das ist falsch. Junge Leute, die gut sind – und meine Töchter sind sehr gut –, denen muss man Freiheiten lassen, Selbstbestimmung und eigene Entscheidungen ermöglichen. Dann klappt das auch. Bei uns hat es sehr gut funktioniert.

Claudia Mattheis:
Sie haben auch noch einen Sohn, oder?

Barbara Jaeschke:
Ja, ich habe noch einen Sohn. Er ist Jurist und bisher nicht fest im Unternehmen. Er ist freiberuflich als juristischer Berater für uns tätig. Vielleicht steigt er noch ein – man weiß es nicht.

Claudia Mattheis:
Wie haben Sie den Übergang konkret gestaltet? Gab es einen Schlüsselmoment, in dem Sie gesagt haben: „Jetzt gebe ich langsam ab“? Oder war das von Anfang an geplant?

Barbara Jaeschke:
Ich habe nie ein bestimmtes Alter als Ziel gesetzt. Es hat sich einfach so ergeben. Letztlich fing es damit an, dass meine Töchter beide Vollzeit eingestiegen sind. Vollzeit zu arbeiten bedeutet, viel mitzubestimmen und mitzugestalten. Dann war klar, dass sie das können. Ich bin ja nicht ausgestiegen. Ich habe auch nicht vor, jetzt auszusteigen. Warum sollte ich?

Es ist sehr praktisch und angenehm, jetzt zwei Töchter in der Geschäftsleitung zu haben. Wir teilen uns die Aufgaben zu dritt. Das ist ein ganz anderes Pensum als früher, als ich alles allein gemacht habe.

Claudia Mattheis:
Aber es war nicht von vornherein geplant, dass Ihre Töchter einsteigen. Sie sind 2016 freiwillig gekommen?

Barbara Jaeschke:
Ja, sie sind freiwillig gekommen. Es gab einen Bedarf. Ich brauchte Unterstützung. Die älteste Tochter ist zuerst eingestiegen. Sie hat dann die jüngere Schwester überredet. Die war bei einer großen Unternehmensberatung und sehr erfolgreich. Trotzdem hat sie sich entschieden, zu GLS zu wechseln. Das war für mich super.

Claudia Mattheis:
Sie sind familiär sehr eng verbunden. Wie sieht es im beruflichen Kontext aus? Gibt es eine Oberchefin? Oder sind Sie gleichberechtigte Chefinnen?

Barbara Jaeschke:
Am Anfang war ich sicher die Oberchefin. Jeder Abteilungsleiter hat mich gefragt, wenn er etwas wollte. Das hat sich geändert. Wir machen das jetzt zu dritt. Jede hat ihren Bereich, der ist auch definiert. So kommen wir uns nicht in die Quere. Wir sind sehr autonom in unserem Wirkungskreis. Wir sitzen sogar in drei verschiedenen Gebäuden und haben unterschiedliche Schwerpunkte. Das hat sich einfach so ergeben und funktioniert super.

Claudia Mattheis:
Hatten Sie eine professionelle Begleitung, als Ihre Töchter eingestiegen sind? Gab es einen Mediator von außen?

Barbara Jaeschke:
Nein, das haben wir einfach so gemacht. Wir brauchten keine professionelle Begleitung. Allerdings haben meine Töchter jetzt ein Geschwistercoaching. Dort lernen sie, wie man als Geschwister zusammenarbeitet, ohne sich ständig zu streiten, sondern an einem Strang zu ziehen. Am Anfang haben wir das einfach so gemacht.

Claudia Mattheis:
Sie haben gesagt, dass Sie alle drei unterschiedliche Unternehmensbereiche betreuen. Haben Sie das ausgewürfelt oder ging es nach Vorlieben?

Barbara Jaeschke:
Es ging nach Vorlieben. Meine mittlere Tochter betreut mit mir zusammen die Schule. Meine älteste Tochter hat den Hotel- und Gastronomiebereich aufgebaut und macht jetzt das Eventmanagement. Ich kümmere mich um die Sprachreisen. Warum? Weil niemand sonst sie machen wollte. Ich finde sie eigentlich schön und mag sie immer noch sehr gerne. Damit habe ich ja auch angefangen.

Claudia Mattheis:
Sie haben im Vorgespräch angedeutet, dass es Männern schwerer fällt, ihr Unternehmen an jüngere Menschen abzugeben. Warum glauben Sie, dass das so ist?

Barbara Jaeschke:
Das ist dieser alte patriarchische Charakter. Viele Patriarchen bleiben der Oberboss, bis sie tot sind. Ich wollte nicht, dass meine Töchter auf meinen Tod warten müssen. Deshalb habe ich ihnen vorher Freiheiten gegeben. So sind sie intrinsisch motiviert und aktiv dabei. Gute Nachfolger gehen sonst, wenn sie sich nicht entwickeln können.

Claudia Mattheis:
Ihre Töchter sind jetzt angestellte Geschäftsführerinnen. Haften sie genauso wie Sie?

Barbara Jaeschke:
Im Moment sind sie angestellte Geschäftsführerinnen. Aber ich beabsichtige, die Firma langfristig an die drei Kinder zu übertragen. Dann wären die beiden Töchter Geschäftsführerinnen. Mein Sohn ist noch nicht dabei. Die Haftung wird sich dann ändern. Sie fühlen sich jetzt schon verantwortlich, aber haftungstechnisch noch nicht.

Bis vor einem Jahr war ich ein Einzelunternehmen – bei unserem Umsatz eigentlich abartig. Meine Töchter haben die Nachfolge nicht als Einzelunternehmen angetreten. Wir haben die Firma vor einem Jahr umstrukturiert in eine GLS Campus Berlin GmbH & Co. KG. Dadurch sind sie nur noch beschränkt haftbar.

Claudia Mattheis:
Ich frage nach der Haftung, weil ich mich viel mit Unternehmerinnen unterhalte, die Nachfolger suchen, und mit jüngeren Menschen, die zwar selbstbestimmt arbeiten, aber nicht unbedingt voll ins Risiko gehen wollen.

Barbara Jaeschke:
Meine Töchter sind da auch vorsichtig. Sie haben eine Geschäftsführerversicherung abgeschlossen – die hatte ich nie. Ich habe einfach gemacht. Als sie mir das erklärt haben, musste ich zugeben: Ja, das sind andere Strukturen. Das ist gerechtfertigt.

Claudia Mattheis:
Warum waren Sie bis vor einem Jahr ein Einzelunternehmen? Sind Sie risikofreudig?

Barbara Jaeschke:
Ehrlich gesagt, ich habe nicht drüber nachgedacht. Ich bin einfach ins Unternehmertum gestolpert. Ich habe eine Firma gegründet, Gewerbeanmeldungen gemacht – das war es. Ich habe Kredite aufgenommen, auch für den Bau und die Entwicklung. Die Banken wollten Bürgschaften. Die geben ja keinem Einzelunternehmen Geld. Also habe ich überall gebürgt. Meine Kinder sagen jetzt: Das wollen wir nicht. Deshalb verhandeln wir mit den Banken, dass diese Bürgschaften nicht 1 zu 1 auf die Kinder übertragen werden.

Claudia Mattheis:
Das wird noch schwieriger, wenn man das Unternehmen an jemanden übergibt, mit dem man nicht familiär verbunden ist.

Barbara Jaeschke:
Ich glaube, die meisten sind nicht als Einzelunternehmen mit dieser Größenordnung und so vielen Mitarbeitern strukturiert. Die sind schon sinnvoller als GmbH oder ähnliches organisiert.

Claudia Mattheis:
Sie sind sehr aktiv in der IHK. Wie nehmen Sie das Thema Nachfolge wahr? Ist das ein Problem für die Berliner oder deutsche Wirtschaft?

Barbara Jaeschke:
Die Nachfolge ist überall ein großes Problem. Viele Firmen müssen schließen, weil sie keine Nachfolge haben – weder im Familienkreis noch extern. Das ist ein heißes Thema in der IHK. Es gibt jetzt auch Zusammenschlüsse für Nachfolgeberatung. Viele Unternehmer unterschätzen das und fangen zu spät an. Mit 80 und Angst vor dem Herzinfarkt ist es zu spät.

Claudia Mattheis:
Was wäre der richtige Zeitpunkt?

Barbara Jaeschke:
Ich würde mit 50 anfangen. Ich habe erst mit 60 oder 65 drüber nachgedacht, weil meine Töchter sagten: „Nie GLS!“ Aber dann haben sie doch eingestiegen. Die Nachfolge war so super geregelt. Bei Bankverhandlungen ist die erste Frage oft: „Und was ist mit der Nachfolge?“ Wenn ich sage: „Alles klar“, dann ist das ein großes Plus.

Claudia Mattheis:
In der GLS arbeiten sehr viele Frauen.

Barbara Jaeschke:
Ja, die Frauenquote ist aus meiner Sicht viel zu hoch. Frauen sind sprachenaffin, haben mehr Auslandserfahrung und Bereitschaft, sich mit dem Ausland auseinanderzusetzen. Sie sind auch sehr gut in schwierigen Gesprächen, etwa mit Eltern. Wir haben viele Eltern, weil wir Schülerprogramme und Highschool anbieten. Frauen sind da sensibler und hören besser zu.

Claudia Mattheis:
Interessant. Alle wollen eine hohe Frauenquote, und Sie hätten lieber mehr Männer.

Barbara Jaeschke:
Ja, ich sage meinen Abteilungsleitern: Wenn ein Mann genauso gut ist wie eine Frau, nehmt den Mann. Aber die Bewerbungen sind zu 90 Prozent von Frauen. Die Männer, die sich bewerben, sind oft nicht geeignet.

Claudia Mattheis:
Sie sind immer noch Geschäftsführerin. Welche Rolle haben Sie jetzt konkret? Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Barbara Jaeschke:
Mit Corona hatten wir große Umsatzeinbrüche, Buchungsrückgänge, Stornierungen. Es war eine harte Zeit. Wir haben Fördermittel beantragt und Kredite aufgenommen. Meine Töchter haben dann aufgeräumt: Sie haben Produkte ausgemistet, die keine Marge brachten. Arbeitsintensive Programme ohne Gewinn wurden wegrationalisiert.

Claudia Mattheis:
Und Ihr Arbeitsalltag heute?

Barbara Jaeschke:
Jetzt arbeiten alle viel im Homeoffice – etwa einen Tag pro Woche. Ich komme von zu Hause mit dem Handy überall rein. Ich kann Finanzen, Buchungen und Posteingänge prüfen. Aber der persönliche Kontakt ist wichtig. Deshalb bin ich drei bis vier Tage in der Woche in der Firma.

Früher habe ich 60 Stunden in der Woche gearbeitet. Heute sind es etwa 42. Ich bin 1950 geboren, also gerade 75 geworden.

Claudia Mattheis:
Viele fragen: Soll ich mit 70 noch arbeiten? Wie lange sollte man arbeiten? Was reizt Sie daran, aktiv zu bleiben?

Barbara Jaeschke:
Ich arbeite gerne. Ich bin gerne in der Firma. Ich liebe den Kontakt mit den Mitarbeitern. Was soll ich fünf Tage die Woche zu Hause? Da fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich fahre zwar mehr weg als früher, aber nicht ständig. Meine Enkel werden von den Eltern versorgt. Ich bin unabhängig und flexibel. Meine Arbeit macht mir Spaß und gibt mir Erfolgserlebnisse. Ich wüsste nicht, was ich zu Hause tun sollte.

Claudia Mattheis:
Für viele Selbstständige ist Ruhestand kein Thema.

Barbara Jaeschke:
Als Selbstständige kann man selbst bestimmen, wie viel und wie lange man arbeitet. Ich kenne viele Manager, die mit 60 in Ruhestand mussten. Die hatten große Schwierigkeiten, ohne Arbeit klarzukommen.

Claudia Mattheis:
GLS bietet auch Sprachreisen und Kurse für Menschen ab 50 an. Warum lohnt es sich, im späteren Leben noch eine Sprache zu lernen oder eine Sprachreise zu machen?

Barbara Jaeschke:
Der Mensch ist ein kommunikatives Wesen. Wir holen uns Energie und Bereicherung aus Kontakten. Mit Menschen muss man kommunizieren – egal in welcher Sprache. Sprachen sind wichtig. Wir haben viele ältere Leute, die Spanisch, Italienisch, Japanisch oder Koreanisch lernen. Das ist bereichernd.

Man fährt ins Ausland, hat ein neues Umfeld, lernt tolle Menschen kennen und hat tagsüber vier bis sechs Stunden Sprachunterricht. Das gibt Struktur und keine Langeweile. Wer will schon 30 Tage am Stück nur Sehenswürdigkeiten anschauen? Eine Sprachreise ist eine tolle Sache. Man kann Kultur, Kochen oder Surfen damit verbinden.

Claudia Mattheis:
Das trifft den Trend: Longevity, Langlebigkeit. Alle wollen möglichst lange gesund und geistig fit bleiben. Ihr Programm für Menschen ab 50 ist da ideal.

Barbara Jaeschke:
Wir nennen es nicht mehr 50 plus, sondern 30 plus. Die Leute wollen nicht in die Schublade „Senioren“ gesteckt werden. Sie wollen mit jungen Leuten zusammen sein, aber nicht nur mit Teenagern. Die 30 plus sind jetzt der Hype.

Claudia Mattheis:
Sie sind sehr sprachenaffin. Gibt es ein Land, eine Sprache oder ein Reiseziel, das Sie selbst noch intensiv entdecken möchten?

Barbara Jaeschke:
Ich würde gerne mehr nach Asien oder Südamerika reisen. Dort kann ich zwar meine Sprachkurse nicht nutzen, aber wir haben viele Kursteilnehmer aus Asien für Deutsch als Fremdsprache. Die Asiaten sind sehr lernwillig.

Claudia Mattheis:
Zum Abschluss: Wie wollen Sie in Zukunft leben und wohnen?

Barbara Jaeschke:
Ich habe immer noch eine große Wohnung, obwohl ich allein lebe. Meine Kinder kommen oft zu Besuch. Ich würde immer einen Garten haben wollen und eine gute öffentliche Anbindung an die Stadt. Nicht unbedingt in der Stadt, aber zentral genug, um nicht vom Auto abhängig zu sein. Und ich möchte viel Raum behalten, damit alle Kinder auch mal übernachten können.

Claudia Mattheis:
Vielen Dank, liebe Frau Jaeschke, für dieses wunderbare Gespräch.

Barbara Jaeschke:
Sehr gerne, hat Spaß gemacht. Dankeschön.

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