Ursula Wagner schaut lächelnd in die Kamera, sie ist 60 Jahre alt, hat halblange dunke Haare und trägt eine pinkfarbene Jacke

Interview mit Dr. Ursula Wagner: Über Longevity und das gute Leben 5/5 (2)

Ganzheitlich gesund: Eine Pionierin der Lifespan Psychologie erklärt, wie Sinn, Beziehungen und Bewegung zu einem erfüllten Leben beitragen.

Dr. Ursula Wagner (Jahrgang 1964) spricht darüber, wie Menschen nicht nur lange, sondern auch erfüllt leben können. Sie ist eine Pionierin der Lifespan Psychologie und seit zwei Jahrzehnten Mitinhaberin des Coaching Center Berlin, einer der führenden Adressen für Coaching-Ausbildung und Healthy Longevity Coaching im deutschsprachigen Raum.
In dieser Zeit hat sie mit ihrem Team über 1.000 Coaches ausgebildet. Sie bringt Medizin mit der Psychologie zusammen und propagiert einen ganzheitlichen Ansatz, der das gute Leben im Blick hat – nicht nur ein langes Leben. Im Podcast teilt sie mit uns ihre Erfahrungen aus der Longevity-Szene.

Und das sind unsere Themen:

Ganzheitlicher Ansatz für Langlebigkeit

Dr. Ursula Wagner erklärt, dass Langlebigkeit in der Medizin oft auf physische Gesundheit reduziert wird. Ihr Ansatz geht jedoch darüber hinaus: „Gesunde Lebensjahre sind wichtig, aber was wirklich zählt, ist die Erfüllung dieser Jahre.“ Sie kombiniert medizinische Erkenntnisse mit psychologischen Ansätzen und betont, dass Sinn, gute Beziehungen und positive Emotionen wesentliche Bestandteile eines erfüllten Lebens sind.

Die Rolle von Beziehungen und Netzwerken

Beziehungen spielen eine zentrale Rolle in Dr. Wagners Konzept. Sie verweist auf die Harvard-Studie zur Erwachsenenentwicklung, die zeigt, dass soziale Bindungen essenziell für das Wohlbefinden und die Gesundheit sind. Sie sagt: „Ein gutes Leben erfordert nicht nur eine Partnerschaft, sondern ein Netzwerk von liebevollen und sinnstiftenden Beziehungen“.

Ziele setzen und loslassen

Ein weiteres Kernthema des Podcasts ist der Umgang mit Zielen. Dr. Wagner erklärt, wie wichtig es ist, Ziele zu verfolgen, aber auch, sie loslassen zu können, wenn sie nicht mehr zur Lebenssituation passen.

Longevity-Coaching-Ausbildung für Ärzte

Dr. Wagner beschreibt, warum die Beschäftigung mit Longevity besonders für Ärzte von Bedeutung ist. Denn viele Mediziner fühlen sich unzureichend auf die zwischenmenschliche Kommunikation und die Begleitung von Patienten vorbereitet. Ihre spezielle Coaching-Ausbildung schließt diese Lücke, indem sie medizinische Expertise mit Coaching-Kompetenzen kombiniert. „Die Ärzte sagen oft, das ist der Teil, der in ihrer Ausbildung fehlt“, erklärt sie. Gerade im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung ermöglicht das Coaching, Patienten effektiver zu motivieren, nachhaltige Ziele zu setzen und eine ganzheitliche Sichtweise zu entwickeln.

Ursula Wagner schaut lächelnd in die Kamera, sie ist 60 Jahre alt, hat halblange dunke Haare und trägt eine pinkfarbene Jacke

Gesundheitsförderung: Bewegung, Omega-3 und Vitamin D3

Praktische Tipps gibt Dr. Wagner ebenfalls: Die Kombination aus regelmäßigem Krafttraining, Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D3 sei wissenschaftlich belegt und fördere Gesundheit und Mobilität bis ins hohe Alter. „Es ist die Synergie dieser Elemente, die wirklich zählt.“

Positive Lebenseinstellung

Dr. Wagner hebt hervor, dass Neugier und Humor essenziell für ein gesundes Altern sind: „Humor verbindet uns mit anderen und hilft uns, Herausforderungen mit Leichtigkeit zu begegnen.“

Warum Sie dieses Podcast-Interview hören sollten?

Dr. Ursula Wagners Botschaft ist klar: Langlebigkeit ist kein Selbstzweck. „Das gute Leben erfordert mehr als Gesundheit – es braucht Sinn.“

Erst die Verbindung aus Sinn, Beziehungen und einer gesunden Lebensweise macht das Leben wirklich lebenswert. Ihr Ansatz inspiriert dazu, aktiv Verantwortung für das eigene Dasein zu übernehmen – auf allen Ebenen.

 

Noch mehr Infos gibt es hier:



Webseite Dr. Ursula Wagner

Webseite Coaching Center Berlin

Webseite Holistic Health & Longevity Coach

LinkedIn Profil Dr. Ursula Wagner

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Interview mit Dr. Ursula Wagner:
Über Longevity und das gute Leben

Claudia Mattheis:
Hallo, herzlich willkommen in meinem LIVVING Podcast Studio, liebe Dr. Ursula Wagner. Warum ich Sie eingeladen habe? Weil Sie eine der Expertinnen im Bereich Longevity sind. Sie sind Jahrgang 1964, gelernte Journalistin, ausgebildete Tanzpädagogin und außerdem studierte Psychologin mit Doktortitel. Nach Ihrem Studium haben Sie einige Jahre im Managementtraining eines großen Pharmakonzerns gearbeitet, bevor Sie in die Selbstständigkeit gegangen sind. Seit zwei Jahrzehnten sind Sie Mitinhaberin des Coaching Center Berlin, einer der führenden Adressen für Coaching-Ausbildung und Healthy Longevity Coaching im deutschsprachigen Raum. In dieser Zeit haben Sie mit Ihrem Team über 1.000 Coaches ausgebildet.

Claudia Mattheis:
Sie bringen Medizin und Psychologie zusammen und vermitteln einen ganzheitlichen Ansatz, der das gute Leben im Blick hat – nicht nur das lange Leben. Sie plädieren dafür, dass Lebenssinn wichtiger ist als eine reine Verlängerung des Lebens. Dazu gibt es natürlich viele Fragen für unser Gespräch. Starten wir also direkt: Liebe Frau Dr. Wagner, was hat Sie motiviert, sich so persönlich und so ganzheitlich mit dem Thema Langlebigkeit zu beschäftigen?

Dr. Ursula Wagner:
Erstmal herzlichen Dank für die Einladung in den LIVVING Podcast. Das Thema ist wirklich eine meiner Leidenschaften, insofern freue ich mich sehr auf unser Gespräch. Ich bin als Psychologin früh mit einer Richtung der Psychologie in Kontakt gekommen, die sich mit den Lebensphasen befasst, der sogenannten Lifespan Psychology. Das war damals neu, weil sie nicht nur die Kindheit und Jugend in den Blick genommen hat – und mit 21 ist dann angeblich alles vorbei – sondern das gesamte Leben. Während meines Studiums in Berlin war ich an der Berliner Weisheitsstudie beteiligt, einer der ersten und größten Studien zu diesem Thema. Die zentrale Frage dort lautete: Was wird besser, wenn wir älter werden? Nicht nur: Wie kommen wir über die Runden, sondern: Was verbessert sich mit dem Alter? Das fand ich unglaublich spannend, und diese Frage habe ich später in meiner Diplomarbeit, aber vor allem in meiner Doktorarbeit aufgegriffen – damals zum Thema Weisheit in der Führung, weil ich auch im Managementtraining tätig war.

Dr. Ursula Wagner:
Dabei zeigte sich, dass Führungskräfte, die von Mitarbeitern als weise wahrgenommen werden, ein ganzheitliches Leben führen. Ich habe das in meiner Auswertung als „böse Manager haben keine Leader“ zusammengefasst. Die harten Manager, wie ich sie nannte, hatten meist keinen Bezug zu Kunst, Musik oder Literatur, meditierten nicht und betrieben Sport höchstens als reine Fitness. Die anderen, die als echte Leader galten, hatten Kontakt zu mehreren Generationen, interessierten sich für Musik, Meditation, Coaching und waren in der Natur. Sie waren vielseitig eingebunden in ein gutes Leben.

Claudia Mattheis:
Damit haben Sie meine nächste Frage schon fast vorweggenommen: Wie definieren Sie persönlich ein gutes Leben im Vergleich zu einem langen Leben? Für Sie steckt offenbar deutlich mehr dahinter, als man gemeinhin denkt.

Dr. Ursula Wagner:
Wenn wir über Longevity sprechen – ein relativ neuer Trendbegriff, der die medizinische Langlebigkeit in den Fokus rückt – dann geht es in der Forschung um die „healthy longevity“, also die gesunde Lebensspanne im Gegensatz zur reinen Lebensverlängerung. Auch in der medizinischen Longevity-Forschung ist der Fokus immer auf dem gesunden Leben. Aber das gesunde Leben ist aus meiner Sicht als Psychologin nicht identisch mit dem guten Leben. Das gute Leben ist eine philosophische Kategorie, die seit Jahrtausenden in allen Kulturen untersucht wird. Was auf jeden Fall dazugehört – und da gehen wir vielleicht später noch näher darauf ein – sind gute Beziehungen und die Einbindung in einen größeren Sinnzusammenhang, das Gefühl, einen Beitrag für das Ganze zu leisten. Gute Beziehungen sind dabei essenziell, nicht nur in Form von Paarbeziehungen.

Claudia Mattheis:
Ein interessanter, ganzheitlicher Ansatz. Sie setzen auf eine Kombination aus medizinischen und psychologischen Methoden. Was bringt dieser Ansatz der Longevity-Szene und wie profitieren Ihre Klientinnen und Klienten davon?

Dr. Ursula Wagner:
Die Longevity-Szene kommt ursprünglich aus dem Medizinischen. Das ist gut und wichtig, weil es darum geht, medizinisch zu schauen, wie wir gesünder älter werden. Die letzten 15 Lebensjahre vieler Menschen sind jedoch häufig geprägt von multiplen Krankheiten und zahlreichen Medikamenten. Daran etwas zu ändern, ist ein sehr guter Ansatz, den ich auch unterstütze und wo ich mich viel weitergebildet habe. Mein Ansatz ist, die psychologische Ebene und das Mindset – also beispielsweise den Lebenssinn – mit einzubeziehen. Das macht den Ansatz ganzheitlicher und bringt den Klienten viel. Ich beziehe mich dabei gern auf die Harvard Study of Adult Development, die bereits 1938 begonnen wurde. Dort wurden Harvard-Absolventen über 40 Jahre hinweg begleitet. Die Ergebnisse zeigen klar, wie wichtig zwischenmenschliche Beziehungen und positive Ziele sind, ebenso wie ein engagiertes Leben. Dieser Ansatz ist heute genauso aktuell. Die Studie läuft immer noch und fehlt der Longevity-Szene oft, weil diese sehr medizinisch geprägt ist. Meine Klientinnen und Klienten profitieren davon, dass wir einen Diagnostikprozess haben, der auch ein kleines biografisches Interview umfasst. Wir betrachten den Kontext: Warum will jemand gesünder leben, weniger Stress haben? Das hilft enorm.

Claudia Mattheis:
Es geht also um mehr als nur Nahrungsergänzungsmittel, mit denen Longevity häufig assoziiert wird. Das wird momentan ja extrem gehypt – ständig kommen neue Supplements, Sport- oder Wellnessprogramme auf den Markt. Dass Longevity viel mehr bedeutet, finde ich sehr interessant an Ihrem Ansatz. Sie bilden seit zehn Jahren auch Ärzte in Ihrer Coaching-Praxis aus. Warum lohnt es sich für Ärzte, sich zusätzlich zu qualifizieren, und wie profitieren sie davon?

Dr. Ursula Wagner:
Ich habe angefangen, Ärzte im Rahmen einer wissenschaftlichen Weiterbildung zu trainieren – einem Masterkurs an der Dresden International University. Dort habe ich den Coachingkurs für ganzheitliche und funktionelle Medizin unterrichtet. Die Ärzte haben den Kurs sehr aktiv besucht und sagten: Das fehlt in unserer Ausbildung völlig. Wir werden auf Menschen losgelassen, wissen aber nicht, wie man Gespräche führt. Seit diesem Jahr gibt es bei uns eine eigene Weiterbildung zu Holistic Health und Longevity Coaching, auch für Ärztinnen und Ärzte. Das Feedback ist dasselbe: Das ist genau der Teil, der ihnen in der Ausbildung fehlt.
Medizinisch geht es um Präventions- und Longevity-Inhalte, aber auch darum, wie Patienten motiviert, Ziele richtig formuliert und begleitet werden. Das lohnt sich besonders für Ärzte außerhalb des Kassensystems, weil sie in einer Kassenpraxis meist nur sieben Minuten pro Patient haben – da ist keine Zeit für biografische Gespräche. Viele Ärzte machen deshalb einen Tag pro Woche eine Longevity-Praxis oder beginnen gleich außerhalb des alten Systems.
Ich bin selbst ein Fan der Schulmedizin – ich habe eine künstliche Hüfte, mit der ich sehr gut zurechtkomme. Für eine gesunde Langlebigkeit und ein sinnvolles, gesundes, langes Leben reicht die Schulmedizin aber allein nicht aus.

Claudia Mattheis:
Eigentlich bräuchten alle Ärzte den Longevity-Ansatz in ihrer Ausbildung, um eine bessere Medizin und Behandlung anbieten zu können. Aber natürlich kann sich das nicht jeder leisten. Es geht also auch stark um Eigenverantwortung: Jeder kann selbst etwas dafür tun, möglichst lange gesund und gut zu leben. Sie betonen immer wieder die Bedeutung einer positiven Lebenseinstellung, von Neugierde und Humor. Warum tragen diese Faktoren zu einem gesunden Altern bei?

Dr. Ursula Wagner:
Das sind positive Gemütszustände, mit denen bestimmte Emotionen und neurobiologische Prozesse verbunden sind. Unsere Körperchemie verändert sich, wenn wir beide uns jetzt über ein Thema austauschen, das uns begeistert – vermutlich wird Serotonin ausgeschüttet, vielleicht auch Oxytocin, das Verbindungshormon. Emotionen erzeugen Moleküle und Moleküle wiederum Gefühle. Unsere Einstellungen, Emotionen und unser Wohlbefinden sind eng miteinander verbunden.
Im Holistic Health Coaching messen wir z.B. Serotonin- und Dopaminspiegel, aber auch aktivierende Neurotransmitter wie Noradrenalin und Adrenalin. Wenn etwas nicht in Balance ist, substituieren wir gezielt und führen gleichzeitig dazu an, sich positive, sinnvolle Ziele zu setzen. Das erzeugt eine Aufwärtsspirale.
Neugierde ist etwas, das uns als Kinder auszeichnet – wir haben alles neugierig betrachtet. Davon können wir uns mit 50, 60 plus ruhig eine Scheibe abschneiden. Das hält uns innerlich jung. Und Humor ist sowieso wichtig – gerade mit zunehmendem Alter.
Es gibt in der Psychologie ein Inventar von 24 Charakterstärken, das weltweit evaluiert wurde. Humor gehört zum Cluster „Transzendenz“, ebenso wie Glaube und Dankbarkeit. Humor verbindet uns mit anderen und lässt uns über die eigene Ego-Perspektive hinauswachsen.

Claudia Mattheis:
Ist Humor eigentlich genetisch bedingt oder erlernt? Wenn ich keinen habe – sind dann meine Eltern schuld?

Dr. Ursula Wagner:
Es ist immer praktisch, wenn die Eltern schuld sind! Im Ernst: Spätestens ab 50 sollte man sich ein Stück weit von den Eltern emanzipieren. Aber tatsächlich hat die Harvard-Studie gezeigt, dass die Qualität von Kindheitsbeziehungen einen großen Einfluss hat. Vernachlässigung oder Traumata hinterlassen Spuren im Gehirn und im emotionalen Gedächtnis.
Menschen mit schwierigen Kindheitserfahrungen haben die Aufgabe, damit umzugehen – das ist möglich, auch dank guter Trauma- und Kurzzeittherapien. Wir nennen das „Growing Through Adversity“ – am Schweren wachsen. Viktor Frankl, der österreichische Psychiater, hat es auf den Punkt gebracht: „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ Im Konzentrationslager hat er erlebt, dass Mithäftlinge, die eine Perspektive und einen Sinn hatten, bessere Überlebenschancen und mehr Menschlichkeit gezeigt haben. Purpose – also Sinn – ist also essenziell.
Auch im Arbeitsleben: Wenn wir das, was wir tun, als sinnvoll erleben, geht es uns besser. Es gibt dazu ein Experiment mit Studenten, die Roboter bauten – die einen für einen guten Zweck, die anderen für Geld. Die, die wussten, dass ihre Arbeit sinnvoll ist, waren deutlich motivierter.
Sinnhaftigkeit motiviert uns und hilft, mit Einschränkungen und Schwierigkeiten umzugehen. Das kann man nicht nur fühlen, sondern auch biologisch messen.

Claudia Mattheis:
Gerade im Alter wird das Thema Sinn des Lebens immer wichtiger. Viele ältere Menschen wissen oft nicht mehr, wofür sie eigentlich noch da sind. Sie erwähnten schon das Ehrenamt als Möglichkeit, sich zu engagieren und dadurch wieder mehr Sinn und Kontakte zu finden – Netzwerke sind schließlich wichtig. Wie kann man soziale Beziehungen trainieren und fördern? Können Sie das bei Ihren Klientinnen und Klienten unterstützen?

Dr. Ursula Wagner:
Ja, das kann man auf jeden Fall trainieren. Bei der gesunden Langlebigkeit sind die Säulen Sinn (in Karriere oder Ehrenamt) und Beziehung zentral. Zuerst ist wichtig, zu erkennen, wo wirklich etwas fehlt. Es geht nicht nur um leibliche Kinder – ich selbst habe keine, aber einen Stiefsohn und viele enge Verbindungen zu Kindern von Freundinnen und Freunden. Intergenerationale Beziehungen sind wichtig, und man kann sich vielfältig engagieren.
Für meine Klientinnen und Klienten heißt das: Den Fokus nicht nur auf Supplements und Kältebäder legen, sondern auch auf das, was vielleicht wirklich fehlt – das soziale Engagement. Ehrenamt und Engagement im eigenen Umfeld sind enorm wertvoll, weil man so mit Gleichgesinnten in Kontakt kommt. Nichts ist schlimmer als Ruhestand ohne Sinn und Netzwerk.
In der positiven Psychologie gibt es das Konzept des „Flourishing“ – des Aufblühens. Anders als bei der reinen Glücksforschung steht dabei das erfüllte Leben im Mittelpunkt. Beziehung und sinnvolle Tätigkeiten sind dabei zentrale Faktoren – das zeigt auch die Harvard-Studie.

Claudia Mattheis:
Diese Aspekte werden in der Longevity-Szene bislang stark vernachlässigt. Die meisten setzen auf biologische Optimierung. Es gibt auch Stimmen, die sagen, mit der richtigen Lebensführung können Menschen problemlos über 100 Jahre alt werden. Wie ist Ihre persönliche Einstellung dazu? Sollte das Ziel sein, 100 oder 120 Jahre alt zu werden?

Dr. Ursula Wagner:
Das hängt vom Zeitpunkt der Geburt ab – biologisch scheint der Körper dazu in der Lage zu sein, wie einzelne Beispiele zeigen. Menschen, die heute 60 oder 70 sind, können das durchaus erreichen. Aber wenn ich auf meine 92-jährige Mentorin schaue, für die das Leben jetzt beschwerlicher wird, frage ich mich, ob ich in so einem Zustand über 100 werden möchte. Für mich ist es kein Ziel, eine bestimmte Zahl zu erreichen.
Die Beschäftigung mit Longevity bedeutet für mich nicht, die Lebensspanne auszudehnen, sondern die erfüllte Lebensspanne zu gestalten. Wenn mein Leben mit 95 erfüllt endet, ist das genauso gut wie mit 105. In meiner Familie gibt es viele langlebige Menschen, aber auch solche, bei denen Stress Lebensjahre gekostet hat. Deshalb weiß ich, dass ich selbst viel dafür tun muss, um gut zu altern.

Claudia Mattheis:
Sie wissen ja, was zu tun ist – psychologisch und gesundheitlich. Sie erwähnen immer wieder den positiven Effekt von Omega 3, Vitamin D und Bewegung. Warum sind das für Sie die wichtigsten Bestandteile eines langen, gesunden Lebens?

Dr. Ursula Wagner:
Das ist durch Studien klar belegt, zum Beispiel durch die europaweite Do-Health-Studie von Professor Bischoff-Ferrari. Dort hat man untersucht, was für Menschen über 70 am meisten wirkt: Dreimal pro Woche Bewegungstraining mit Krafttraining, dazu als Nahrungsergänzung Omega 3 und Vitamin D. Die Kombination dieser drei Dinge hat den größten Effekt. Nicht entweder oder, sondern alles zusammen bringt enorm viel.
Das hilft der Knochengesundheit, der Beweglichkeit, der kognitiven Leistungsfähigkeit – und wer stürzt, steht einfach wieder auf, ohne sich etwas zu brechen.

Claudia Mattheis:
Das Gute ist: Omega 3, Vitamin D und Bewegung sind bezahlbar – sie kosten nicht viel und jeder kann damit etwas für sich tun. Andere Nahrungsergänzungsmittel sind oft viel teurer und fragwürdiger. Ich nehme auch alles davon und habe jetzt mit Krafttraining begonnen.

Dr. Ursula Wagner:
Sehr gut, sehr gut!

Claudia Mattheis:
Sie setzen sich für eine ganzheitliche Gesundheitsförderung ein. Was sind für Sie persönlich die drei wichtigsten Elemente für ein langes und gutes Leben? Sie haben schon vieles erwähnt.

Dr. Ursula Wagner:
Ich fasse es gern noch mal zusammen: Für mich ist es Bewegung und Sport – ich war als Jugendliche Leistungssportlerin und habe eine professionelle Tanzausbildung. Krafttraining habe ich inzwischen auch integriert. Zweitens: Natur. Es gibt für mich nichts Schöneres als einen deutschen Wald. Ich gehe oft in den Wald und verbinde das mittlerweile auch mit Kältebaden – wir wohnen zum Glück nah an einem großen See. Und drittens: Liebe. Bewegung, Natur und Liebe – das sind meine drei wichtigsten Elemente.

Claudia Mattheis:
Das sind schöne Zutaten.
In Ihren Veröffentlichungen schreiben Sie, dass für Sie auch das Setzen von Zielen wichtig ist, aber auch das Loslassen können. Wie kann das Loslassen von Zielen zur Lebensqualität beitragen?

Dr. Ursula Wagner:
Das gilt besonders für Ziele, die sich wahrscheinlich nicht mehr erfüllen oder deren Verfolgung unglücklich macht. Beispiel: Kinderwunsch bei Frauen um die 40. Wenn klar ist, dass die Chance auf ein eigenes Kind gegen null geht, lohnt es sich zu hinterfragen: Warum habe ich bisher keine eigenen Kinder? Was steckt wirklich hinter dem Wunsch?
In einem Fall sagte eine Klientin, sie wäre durchaus bereit, Kinder eines Partners mit aufzunehmen, oder sie arbeitet ohnehin viel mit jungen Menschen. Wichtig war für sie, dass sie selbst die Entscheidung trifft, und nicht ihr Körper. Psychologisch gesehen ist es wichtig, Ziele auch loslassen zu können. Die Forschung dazu zeigt: Neben dem Erreichen von Zielen ist auch das Loslassen für die Lebensqualität entscheidend. Das betrifft zum Beispiel nicht erfüllte Karriereziele oder Beziehungen, die zu Ende gehen. Man kann die Perspektive wechseln: Statt der Trauer darüber, dass es keine lebenslange Liebe geworden ist, kann man dankbar auf die schöne Zeit zurückschauen.

Claudia Mattheis:
Die Scheidungsraten steigen ab dem 60. Lebensjahr stark, meist initiiert von Frauen. Ist es in Ihren Augen wichtig, regelmäßig Inventur zu machen: Was passt eigentlich noch zu mir? Oder schleppen wir manches nur mit, obwohl es gar nicht mehr zu uns gehört?
Sie haben das Buch „Das Kairos-Prinzip“ geschrieben, in dem es um den richtigen Moment geht. Was bedeutet Kairos für Sie und wie kann man diesen Moment für die persönliche Entwicklung nutzen?

Dr. Ursula Wagner:
Kairos kommt aus dem Griechischen und wird dort „Kairos“ ausgesprochen, ich sage aber auch gern „Kairos“, weil wir ja in Deutschland leben. Kairos ist der Gott des günstigen Augenblicks, Kronos der Gott der vergehenden Zeit – von ihm stammt das Wort Chronometer, also Uhr. Kairos kann man sich wie einen Tropfen vorstellen, der ins Wasser fällt und Kreise zieht: Es ist der Moment, in dem man spürt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist – etwas zu tun, loszulassen, einen neuen Lebensort zu wählen oder auch den eigenen Partner (erneut) zu wählen.
Dafür habe ich eine Methode entwickelt, die sich vor allem auf berufliche Entscheidungen bezieht, aber auch auf alle anderen Lebensbereiche übertragen lässt. Man erstellt ein biografisches Profil, unterteilt in verschiedene Lebensbereiche, und schaut sich die Muster an. Oft lassen sich bestimmte Rhythmen erkennen, z.B. die berühmten sieben Jahre, aber auch andere Muster. Am besten erkennt man das rückblickend – wie Sören Kierkegaard sagte: „Leben kann man nur vorwärts, verstehen nur rückwärts.“
Das ist auch eine Methode der Weisheitsforschung: Der sogenannte Life Review, der Lebensrückblick, ist ein erkenntnisfördernder Prozess und hilft, mutig die nächsten Schritte zu gehen.

Claudia Mattheis:
Zum Abschluss: Wie möchten Sie persönlich in Zukunft leben und wohnen?

Dr. Ursula Wagner:
Sie stellen ja gern diese Frage! Ich habe mir schon einige Träume erfüllt. Die Pandemie hat das Thema Remote Work und kollaboratives Arbeiten vorangebracht – unser Team arbeitet zum Teil im Homeoffice. Ich gönne mir inzwischen mit meinem Mann jedes Jahr Zeit auf einer Kanarischen Insel an einem wunderschönen Ort, meistens im Januar, und arbeite dort auch. Das möchte ich unbedingt beibehalten, vielleicht auch mal zwei Monate oder noch länger.
Ansonsten lebe ich derzeit in einer schönen Berliner Altbauwohnung nahe eines Sees und Waldes – das kommt meinem Ideal schon sehr nahe. Für später wünsche ich mir, weiterhin mit Menschen verschiedener Generationen verbunden zu sein – sei es in der Familie oder im Freundeskreis. Die Nähe zu Natur, Wärme und Menschen – das wären meine wichtigsten Parameter.

Claudia Mattheis:
Ich wünsche Ihnen alles Gute dafür und danke Ihnen sehr für dieses großartige Gespräch. Ich hätte noch so viele Fragen – vielleicht können wir das ja fortsetzen.

Dr. Ursula Wagner:
Sehr gern, ich hätte auch noch viele Antworten. Vielen Dank!

Claudia Mattheis

Frau mit schulterlangem gelocktem braunem Haar, die einen dunklen Blazer und eine silberne Halskette trägt und in die Kamera lächelt.

Claudia Mattheis (Jahrgang 1966) bringt mit 30 Jahren Führungserfahrung als Geschäftsführerin einer Werbeagentur und Chefredakteurin von Print- und Online-Medien strategische Expertise und ein starkes Netzwerk mit. Diese Kombination bildet das Fundament für ihre Mission: LIVVING.de zur führenden deutschsprachigen Plattform für Wohnen & Leben 50plus zu entwickeln. Ihre Leidenschaft für zielgruppengerechte Kommunikation verbindet sie mit einem tiefen Verständnis für die Bedürfnisse der Generation 50plus. Als versierte Netzwerkerin schafft sie Verbindungen zwischen Partnern, die gemeinsam die Lebenswelt einer wachsenden demografischen Gruppe neu denken wollen. Mit ihrem Mann Siegbert Mattheis lebt sie in Berlin-Prenzlauer Berg.

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