Wer in Berlin ein Haus bauen will, braucht starke Nerven. Wer jedoch eine Einrichtung für betreutes Wohnen errichten will, braucht zusätzlich: Durchhaltevermögen, Galgenhumor und den unbedingten Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Genau davon erzählt Dr. Anja Erben in ihrem autobiografischen Buch Bauen ist nichts für Feiglinge. Eine Lektüre, die nicht nur unterhält, sondern auch zeigt, wie gesellschaftlich wertvoll privates Engagement für altersgerechtes Wohnen sein kann.
„Der Bedarf an altersgerechten Wohnformen ist riesig in Berlin.“ (Anja Erben)
Von der Ärztin zur Bauherrin und was das mit betreutem Wohnen zu tun hat
Die Autorin war eigentlich Ärztin mit eigener Praxis in Berlin-Lichtenberg, als sie 2006 das Gefühl nicht mehr loswurde, dass viele ältere Menschen zwischen „noch zu fit fürs Heim“ und „nicht mehr ganz allein zu Hause“ durchs Raster fallen. Ihr Entschluss: Eine eigene Einrichtung für Servicewohnen muss her.
„Ich kannte etliche Pflegeheime von innen. Um es vorsichtig zu formulieren: Meine eigenen Eltern wollte ich dort nicht alt werden sehen.“ (Anja Erben)
Was folgt, ist der Kauf eines verfallenen DDR-Kindergartens, eine liebevolle Sanierung und die Gründung einer kleinen Wohnanlage für betreutes Wohnen. Doch das ist erst der Anfang. Als der Erfolg dem Projekt recht gibt, reift der Plan, einen Neubau für weitere Wohnungen auf dem Nachbargrundstück zu errichten. Und damit beginnt das eigentliche Abenteuer.
Ein Erfahrungsbericht voller Widerstände, Behördenabsurditäten und echter Vision
Mit scharfem Blick und feiner Ironie schildert Anja Erben ihren Weg durch das Dickicht aus Bauämtern, Brandschutzvorgaben, Kampfmittelverordnungen, Abrissgenehmigungen und politischem Taktieren. Besonders entlarvend sind ihre Begegnungen mit Bürokraten wie dem „Abteilungsleiter Schüttel-Gründermann“ oder der über Jahre (!) nicht erreichbaren „Frau Lehmann“ vom Grünflächenamt.
Was bleibt, ist die Erkenntnis: Ohne politische Rückendeckung, ein belastbares Netzwerk und eine ordentliche Portion Chuzpe lässt sich so ein Vorhaben kaum realisieren. Dass Erben es dennoch geschafft hat, macht das Buch umso lesenswerter – auch und gerade für Menschen, die selbst über ein ähnliches Projekt nachdenken.
10 Dinge, die wir aus diesem Buch mitnehmen
- Bauen für die ältere Generation ist ein gesellschaftliches Anliegen.
Die Nachfrage nach gutem, selbstbestimmtem Wohnen im Alter wächst rasant. - Betreutes Wohnen ist mehr als ein Wohnkonzept.
Es ist eine Antwort auf das, was viele ältere Menschen sich wünschen: Sicherheit und Selbstständigkeit. - Verwaltungen sind selten innovationsfreudig.
Wer etwas bewegen will, muss sich auf Widerstände einstellen und darf nicht locker lassen.
Ohne Vitamin B läuft oft gar nichts. Gute Kontakte helfen, Blockaden zu überwinden und Prozesse zu beschleunigen. - Es braucht Durchhaltevermögen.
Allein die Baugenehmigung dauerte über zwei Jahre, ein echter Test für die eigenen Nerven. - Manchmal braucht es eine politische Bühne.
Der Bauausschuss und Unterstützer:innen aus der Lokalpolitik wurden zum Schlüssel für den Erfolg. - „Barrierefreiheit“ ist kein Nice-to-have.
Sondern ein Muss für alle Wohnprojekte der Zukunft. - Lösungen entstehen oft aus persönlichen Betroffenheiten.
Die Idee zum Projekt entstand aus der Sorge um eine Patientin und wurde zur Lebensaufgabe. - Nicht jeder versteht sofort, worum es geht.
Viele Behörden sehen in Bauherren ein Problem, nicht eine Lösung für gesellschaftliche Herausforderungen. - Am Ende lohnt sich der Einsatz.
Denn heute steht das neue Gebäude und bietet älteren Menschen ein Zuhause, das diesen Namen verdient.
Warum wir dieses Buch empfehlen?
Weil es zeigt, was alles möglich ist, wenn Menschen sich für andere einsetzen – trotz aller Widerstände. Und weil es inspiriert: für neue Wohnformen, für mehr Mut, für einen anderen Blick auf das Thema Altern. Bauen ist nichts für Feiglinge ist kein klassischer Ratgeber, sondern ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht. Und doch steckt darin mehr Know-how über altersgerechtes Wohnen als in so mancher Fachpublikation.
Ein Buch für alle, die mehr wollen als nur Wohnfläche. Und für alle, die daran glauben, dass gutes Leben im Alter machbar ist – wenn man bereit ist, dafür zu kämpfen.
Claudia Mattheis
Bauen ist nichts für Feiglinge!: Zwischen Handwerkerchaos und Behördenwahnsinn
- Verlag: BeBra-Verlag
- Erscheinungstermin: 19. August 2025
- 128 Seiten
- ISBN: 978-3814803302
- Autorin: Dr. med. Anja Erben
Interview mit Petra Zugmann: Mehr als Wohnen – so wird ein Bauernhof zum neuen Zuhause für Senioren
Barrierefreie Wohnungen für altersgerechtes Wohnen werden verstärkt gebraucht
5 beliebte Wohnformen im Alter: Vor- und Nachteile
Buchtipp: Planen und Bauen für das Wohnen im Alter.
Ratgeber für Neubau, Umbau und Renovierung