Ein Gespräch über Wohnwünsche, Entscheidungshilfen und den richtigen Zeitpunkt für den Umzug.
Wie wollen wir im Alter leben – allein, in Gemeinschaft, mit Service oder in vertrauter Umgebung? Und vor allem: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen? Ich bin Claudia Mattheis, Chefredakteurin von LIVVING.de und habe dazu die Senior Living Expertin Birgit Welslau befragt. Sie begleitet Menschen dabei, Antworten auf genau diese Fragen zu finden. Mit ihrem Beratungsangebot Abschnitt Drei hilft sie Seniorinnen und Senioren sowie deren Angehörige bei der Suche nach der passenden Wohnform in Berlin und Potsdam.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Typische Ratsuchende: Durchschnittlich 80–82 Jahre alt, überwiegend Frauen und Paare – häufig melden sich auch die Kinder
- Auslöser für die Beratung: Tod des Partners, gesundheitliche Einschränkungen, Wunsch nach mehr Sicherheit, familiärer Druck, Eigenbedarfskündigung
- Beratungsform: Persönliches, intensives Erstgespräch im häuslichen Umfeld mit ausführlicher Anamnese
- Leistungen: Analyse der Lebenssituation, Empfehlung passender Wohnformen, Netzwerkzugang, Begleitung bei der Entscheidungsfindung und auf Wunsch bis zum Einzug
- Beratungspauschale: Nach individueller Vereinbarung
- Herausforderungen: Lange Wartezeiten in beliebten Residenzen; erschwerte Aufnahme mit Pflegegrad, die Wünsche beider Partner unter einen Hut zu bekommen
- Besonderheit: Unabhängige Beratung ohne Provisionen von den Residenzen – dafür mit echter Marktkenntnis und Herzblut
Beruflicher Neustart mit Mitte 50:
Warum Birgit Welslau „Abschnitt Drei“ gegründet hat
Abschnitt Drei – das klingt nach einem neuen Kapitel. Genau das meint Birgit Welslau damit: der dritte Lebensabschnitt beginnt. Für sie selbst war es der Aufbruch in die
Selbstständigkeit mit Mitte 50, nach vielen Jahren als Residenzberaterin im Premiumsegment.
Der Begriff beschreibt für sie eine Lebensphase, in der Menschen noch aktiv und selbstbestimmt sind, sich aber mit neuen Fragen auseinandersetzen: Wie möchte ich künftig leben und wohnen?
Auch für ihr eigenes Leben ist dies von Bedeutung: „Ich wollte nicht, wie so viele sagen: Die paar Jahre schaffen wir noch. Ich arbeite gerne – und das möchte ich so lange wie möglich – aber selbstbestimmt. Ich möchte „dran bleiben“, mich weiterentwickeln und mein Wissen weitergeben. Gern bis ins hohe Alter“, sagt Birgit Welslau.
Mit „Abschnitt Drei“ verfolgt sie ein klares Ziel: Menschen individuell und unabhängig zu beraten, wenn es um eine neue Wohnform im Alter geht. „Ich habe so viele Gespräche geführt, in denen ich gespürt habe: Die Menschen brauchen jemanden, der zuhört, einordnet – und ihnen ehrlich sagt, was möglich ist und was nicht. Das erspart wertvolle Zeit, vor allem aber Unzufriedenheit oder einen erneuten Umzug bei falscher Wahl.“
Wohnen im Alter: Wer sucht Beratung – und wann?
Die meisten ihrer Kundinnen und Kunden sind zwischen 75 und 85 Jahre alt – häufig sind es Frauen, manchmal Ehepaare, seltener Männer allein. Und oft sind es die Kinder, die den Anstoß geben, sich mit neuen Wohnformen zu beschäftigen. Die Gründe sind vielfältig: Überforderung im eigenen Haus, der Verlust des Partners, gesundheitliche Einschränkungen oder der Wunsch nach Sicherheit oder Einsamkeit.
„Viele Anfragen kommen von Angehörigen – berufstätige Kinder, die für ihre Mutter oder ihren Vater eine neue Wohnform in Berlin oder Potsdam suchen und wenig Zeit haben, sich durch den Dschungel an Angeboten zu arbeiten“, erzählt Birgit. „Wenn der Vater gestorben ist und die Mutter allein im Haus lebt, machen sich viele Sorgen – und merken: Das Thema ist nicht nur komplexer als gedacht, sondern auch hochemotional.“
Manchmal kommen die Anfragen aber sogar von Vermietern oder Maklern. Sie erzählt von einer 82-jährigen Kundin, der wegen Eigenbedarfs gekündigt wurde. „Der Vermieter sagte: Ich unterstütze Sie dabei, etwas Passendes finden und vermittelte sie an mich. Das Angebot nahm die Familie gern an, da ihre eigenen Versuche, eine Residenz für ihre Mutter zu finden, bisher ohne Erfolg waren. Alles ging ziemlch schnell und innnerhalb weniger Monate zog sie in ihre wunderschöne neue Wohnung in eine Residenz, die sie vorher gar nicht auf dem Schirm hatte.“
Wie läuft die Wohnberatung ab?
„Ich gehe zu den Menschen nach Hause, um zu verstehen, wie sie leben – und was sie brauchen“, erklärt Birgit. Im Erstgespräch sammelt sie alle Informationen: Gesundheit, Pflegegrad, Hobbys, soziale Kontakte, Wohnumfeld und den finanziellen Spielraum.
„Viele sagen dann: Wir haben uns Residenz XY angeschaut – aber die Wartezeit beträgt fünf Jahre. Oder: Wir wollen in der Nähe der Kinder bleiben, aber es gibt nichts.“ Genau hier setzt ihre Beratung an. Sie vermittelt realistische Perspektiven – basierend auf einem großen Netzwerk, Marktkenntnis und Erfahrung.
„Ich bekomme oft frühzeitig mit, wo Wohnungen frei werden. Manchmal reicht schon ein einziger Anruf – weil ich die Häuser kenne und Vertrauen da ist.“ Auf Wunsch begleitet sie auch zu Besichtigungen oder übernimmt die komplette Kommunikation mit den Einrichtungen.
Welche Wohnformen kommen für ältere Menschen infrage?
Die meisten Menschen wünschen sich, so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben. Doch spätestens wenn Pflegebedürftigkeit eintritt oder die Wohnsituation nicht mehr passt, wird ein Umzug nötig.
„Ich berate offen und unabhängig – auch über Alternativen zur Residenz, etwa 24-Stunden-Betreuung oder kleine Pflege-WGs“, sagt Birgit Welslau.
Nicht selten kommt auch die Frage auf, ob ein Paar gemeinsam umziehen sollte, wenn nur eine Person pflegebedürftig ist. „Oft ist es Glückssache, dass alles zusammenpasst und beide Bedarfe und Wünsche erfüllt werden können: die passende Wohnungsgröße, ggf. die gleichzeitige Verfügbarkeit einer Wohnung und einem Zimmer auf einer stationären Pflegestation und die notwendigen finanziellen Mittel. Und das am besten in einer favorisierten Residenz in der Nähe der Kinder..“
Gleichzeitig weiß sie: Viele Häuser nehmen Menschen mit Pflegegrad nur eingeschränkt auf. „Besonders im Segment des Betreuten Wohnens ist das ein Problem. Einige Einrichtungen pflegen 24/7 mit eigenem Personal ambulant – aber sie wollen nicht sofort ihre wenigen Pflegekräfte binden.“
Darum ist es wichtig, sich frühzeitig zu informieren – und möglichst vor Eintritt eines Pflegegrades eine Warteliste zu nutzen. „Aber das macht kaum jemand. Und ich verstehe das auch: Mit Anfang 70 kann man meist noch nicht ernsthaft entscheiden, wie man mit 80 leben will. Und es ist höchst individuell.“
Was ist wirklich wichtig bei der Wahl einer Senioren Residenz oder beim Service Wohnen?
Zuerst: „Kann ich dort bleiben, werde ich dort liebevoll versorgt, auch wenn ich Pflege benötige?
Und dann: „Das Essen!“, antwortet Birgit spontan. „Und das meine ich ganz ernst. Wenn das Essen nicht schmeckt, sind die Leute unzufrieden – mit Recht. Es geht nicht nur um Nährstoffe, es geht um Genuss, Struktur, Begegnung und Lebensfreude.“
Neben Küche und Gastronomie ist ihr das Personal wichtig. „Eine freundliche Rezeption, Menschen, die ansprechbar sind, ein gutes Betreuungsangebot – das zählt.“
Und auch Raum für Begegnung: „Ein Café, ein Clubraum, ein Gymnastikangebot – damit man andere trifft und Teil einer Gemeinschaft bleibt.“
Design spielt ebenfalls für viele eine Rolle, in Pflegeeinrichtungen allerdings vor allem für die Kinder: „Die wollen ein schönes Ambiente für ihre Eltern. Hier sollte jedoch mehr Wert auf Atmosphäre und Herzlichkeit gelegt werden als auf Designermöbel.“
Unterstützung von Residenz-Betreibern
Neben der individuellen Beratung von Seniorinnen, Senioren und deren Angehörigen ist Birgit Welslau auch eine gefragte Ansprechpartnerin für Betreiber von Seniorenresidenzen, Service-Wohnanlagen und Pflegeeinrichtungen im Premiumsegment – bislang jedoch ausschließlich über persönliche Empfehlungen.
„Ich war zu Wohnungsbesichtigungen mit meinen Kunden in den Residenzen oder schaute mir ein neues Haus an – und irgendwann sagten die Betreiber: Können Sie uns nicht auch beraten?“ Der Bedarf war groß: unvermietete Wohnungen, fehlende Zielgruppenkenntnis, keine klaren Verkaufsargumente oder nicht funktionierende Kommunikation.
Das Angebot von Birgit Welslau für Betreiber umfasst unter anderem:
- Entwicklung von Vertriebs- und Kommunikationsstrategien
- Markt- und Mitbewerberanalysen, Zielgruppenpositionierung
- Optimierung von Werbe- und Informationsmaterial
- Mitarbeiterschulungen in Interessentenberatung und Kundenansprache
- Unterstützung bei Wohnungsvermietung, Besichtigungen und Abschlussprozessen
„Ich bringe den Blick von außen mit – aber ich kenne auch die Kundenperspektive. Und ich weiß, welche Fragen gestellt werden, wenn man wirklich vor der Entscheidung steht.“
Und wie stellt sich Birgit Welslau selbst das Wohnen im Alter vor?
„Ich habe tolle Vorbilder: Frauen Mitte und Ende 70, die noch Yoga unterrichten oder als Business Coach erfolgreich sind – so möchte ich auch sein: sein Wissen und seine Erfahrung teilen ist total erfüllend und hält jung!. Und ich bin Berlinerin – ich will auch im Alter in Berlin bleiben. Ich brauche Kultur, Bewegung, Menschen. Eine WG auf dem Land ist nichts für mich“, sagt sie entschieden.
Aber auch sie weiß: Das eigene Haus mit vielen Treppen und großem Garten könnte irgendwann zu viel werden. „Ich möchte mich verkleinern, auch um flexibler zu werden. Eine barrierearme Wohnung, Tür zu – und losfahren. Keine Gartenpflege, keine Sorgen. Einfach frei sein.“
Und sie fügt hinzu: „Ich tue viel dafür, gesund zu bleiben – Yoga, Ernährung, Bewegung und gute Freunde.“
Weitere Infos zu Abschnitt Drei und Birgit Welslau.
Claudia Mattheis