Wie Reisen im Alter trotz Demenz, Rollator oder Pflegegrad gelingen kann und die Lebensfreude steigert.
Wie wollen wir im Alter reisen?
Immer mehr ältere Menschen träumen davon, noch einmal zu verreisen — auch wenn Mobilität und Gesundheit eingeschränkt sind. Doch oft fehlen Unterstützung und Sicherheit. Genau hier setzt die Arbeit von Sonja Fröse an. Die examinierte Pflegefachkraft begleitet Seniorinnen und Senioren auf barrierefreien Reisen und ermöglicht Urlaubserlebnisse, die sonst nicht möglich wären.
Für viele ihrer Gäste ist diese Reisebegleitung weit mehr als nur praktische Unterstützung: Sie bedeutet Freiheit, Mut, Gemeinschaft – und oft auch ein letztes großes Abenteuer. Ich,
Claudia Mattheis und Chefredakteurin von LIVVING.de habe dazu mit Sonja über ihre Arbeit gesprochen, über bewegende Momente und darüber, was möglich wird, wenn Pflege auf Reisen geht.
Auf einen Blick: Warum Seniorenreisen mit Pflegebegleitung so wertvoll sind
- Sicher reisen trotz Einschränkungen
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Ob Demenz, Rollator oder Pflegegrad – mit professioneller Begleitung sind Urlaubsreisen auch im hohen Alter möglich und erfüllend. - Individuelle Betreuung statt Standardprogramm
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Pflegefachkraft Sonja Fröse begleitet Gruppenreisen mit viel Herz und Fachwissen – die Bedürfnisse jedes Einzelnen stehen im Mittelpunkt. - Barrierefreiheit braucht mehr als nur ein Hotel
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Gute Wege, Infrastruktur, medizinische Versorgung und flexible Tagesplanung sind entscheidend für einen gelungenen Urlaub. - Technik und Teamwork für mehr Freiheit
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Elektroscooter, E-Rollstühle und ein erfahrenes Team sorgen für Selbstständigkeit, Sicherheit und Leichtigkeit unterwegs. - Pflege auf Reisen ist mehr als Versorgung – es ist Lebensfreude:
Die Reisebegleitung ermöglicht nicht nur Erholung, sondern auch neue Freundschaften, Erinnerungen und oft ein letztes großes Abenteuer.
Zurück zu den Menschen: Warum Sonja Fröse ihre Pflegeerfahrung neu einsetzt
Bevor Sonja Fröse begann, Senioren auf Reisen zu begleiten, war sie für den medizinischen Dienst tätig und bewertete Pflegegrade. „Da hatte ich immer nur kurze Kontakte zu den Menschen. Ich wollte aber wieder einen Beruf ausüben, in dem ich wirklich mit Menschen zusammen bin – und Zeit mit ihnen verbringen kann“, sagt sie. Über einen glücklichen Zufall – und den Kontakt zum Berliner Verein Reisemaulwurf – kam sie in das neue Feld der Reiseassistenz.
Sonja Fröse war sofort fasziniert. „Das barrierefreie Reisen war für mich eine ganz neue Welt – und gleichzeitig ein logischer nächster Schritt. Nach der stationären oder ambulanten Pflege ist das Reisen mit Senioren wie ein Perspektivwechsel. Man ist nicht mehr nur für Versorgung zuständig, sondern teilt Erlebnisse, Emotionen und Erinnerungen. Man lernt die Menschen noch einmal ganz neu kennen – oft auf sehr persönliche Weise.“
Wer mitfährt: Menschen zwischen 50 und 100, die mehr wollen als Strand und Sonne
Die Altersgruppe, die Sonja Fröse begleitet, beginnt etwa bei 50 Jahren – nach oben gibt es kaum Grenzen. „Die älteste Dame, die ich begleitet habe, war 99 Jahre alt. Bei uns in der Firma war sogar mal eine 101-Jährige mit dabei“, erzählt sie. Was alle gemeinsam haben: eine tiefe Reiselust. Viele von ihnen sind erfahrene Globetrotter – manche waren schon in den 1970er Jahren in Australien, Teheran oder auf Safari.
„Diese Menschen wollen nicht einfach nur Urlaub machen. Sie wollen etwas erleben. Sie sind offen, abenteuerlustig, oft mutig – und ganz besondere Persönlichkeiten. Das macht diese Reisen so spannend“, sagt Sonja.
Doch nicht alle Gäste reisen aus purer Abenteuerlust. Manche gönnen sich bewusst „noch einmal etwas Schönes“, weil sie spüren, dass ihre Zeit begrenzt ist. Andere trauen sich alleine nicht mehr, eine Reise zu planen oder durchzuführen. Viele haben Einschränkungen – körperlicher, kognitiver oder emotionaler Art.
Wo benötigen die Reisenden Unterstützung?
Die Bandbreite an Einschränkungen ist groß: schwere Demenz, Schlaganfall-Folgen, chronische Schmerzen, eingeschränkte Beweglichkeit, Angst vor Orientierungslosigkeit oder einfach die Unsicherheit, ohne Hilfe unterwegs zu sein.
„Oft benötigen die Reisenden gar nicht den Rollstuhl, sondern nutzen den Rollator. Aber sie kämpfen mit Atemnot oder Erschöpfung bei längeren Wegen“, erklärt Sonja Fröse. Besonders häufig begleitet sie Menschen aus der Generation 80+, die im Alltag noch recht selbstständig sind, aber bei der Reiseorganisation und unterwegs Hilfe brauchen.
„Viele dieser Menschen kommen zu Hause gut zurecht – aber sie schätzen auf Reisen die Gemeinschaft und die Möglichkeit, sich zurückzulehnen. Urlaub ist für sie, wenn jemand anderes sich kümmert“, beschreibt Sonja.
Wie betreute Gruppenreisen funktionieren
In der Regel begleitet Sonja Fröse zusammen mit weiteren Reisebegleiter:innen Gruppenreisen mit fünf bis siebzehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Es handelt sich nicht um klassische Pflegeeinsätze, sondern um individuell angepasste Begleitungen – mit ganz unterschiedlichen Betreuungsbedarfen.
Eine Eins-zu-eins-Betreuung ist zwar möglich, aber sehr kostenintensiv. Deshalb arbeitet das Team mit einem Richtwert: Drei Stunden Pflege oder Unterstützung pro Tag entsprechen ungefähr einer Einzelbetreuung. Das kann schnell zusammenkommen, gerade bei umfassenden Einschränkungen.
„Aber oft ergänzen sich Gäste auch gegenseitig – etwa Ehepaare oder Schwestern, alte Freunde, neue Freundschaften oder sogar kleine Romanzen“, erzählt Sonja Fröse schmunzelnd. „Wir stehen dann nicht mit der Stoppuhr daneben, sondern begleiten so, wie es gebraucht wird.“
Was sind ideale barrierefreie Reiseziele für Senioren mit Pflegebedarf?
Ein barrierefreies Hotel allein reicht nicht. „Es braucht gute Wege, Cafés, erreichbare Ausflugsziele, medizinische Versorgung, Infrastruktur“, betont Sonja Fröse. Deshalb arbeitet sie eng mit spezialisierten Anbietern zusammen.
Ihre persönlichen Lieblingsziele? Borkum und Teneriffa.
„Auf Borkum gibt’s das Wattenmeer, frische Luft, Ruhe – das genießen unsere Gäste sehr. Und auf Teneriffa gibt es ein Hotel, das ein Deutscher für seine an Multipler Sklerose erkrankte Frau gebaut hat. Es ist durchdacht, warm, freundlich – und das Klima tut vielen Menschen mit Gelenkerkrankungen unglaublich gut.“
Dazu kommt: „In diesem Hotel ist man ohne Rollator fast in der Minderheit – das schafft ein ganz anderes Gefühl von Normalität.“
Logistik, Pflege, Leichtigkeit: So sieht ein Reisetag aus
Der Anreisetag beginnt früh: Die Gäste werden zu Hause abgeholt, Medikamente gecheckt, Hilfsmittel eingepackt. Die Anfahrt erfolgt in Kleinbussen mit Pausen, Musik, Snacks und allem, was den Tag angenehm macht. „Wenn wir gemeinsam unterwegs sind, entsteht oft schon auf der Fahrt eine besondere Atmosphäre – es wird gescherzt, gesungen, gelacht“, sagt Sonja.
Vor Ort bestimmen Wetter, Ausflüge, Mahlzeiten und die Tagesform den Rhythmus. „Wir planen nicht zu eng – Spontaneität ist wichtig. Aber die gemeinsamen Mahlzeiten sind feste Ankerpunkte.“ Manche Gäste schlafen lieber aus, andere möchten alles mitnehmen. Für alles gibt es Lösungen – sogar Frühstück im Zimmer.
Technische Hilfsmittel: Mobilität und Selbstständigkeit fördern
Mobilität ist ein entscheidender Faktor auf Reisen im Alter.
Was Sonja Fröse und ihr Team besonders schätzen, sind Elektroscooter und elektrische Rollstühle. Dank einer Kooperation mit einem Hersteller stehen ihnen mehrere Modelle zur Verfügung. „Die Gäste lieben das. Sie fahren voraus, reservieren Plätze – einmal sind wir mit acht Scootern im Konvoi vor dem Hard Rock Café auf Teneriffa aufgetaucht“, erinnert sich Sonja lachend. „Ein unvergesslicher Moment.“
Mut zum Reisen im Alter: Sonja Fröses Appell an Senioren
Viele Menschen haben Respekt vor ihrer ersten begleiteten Reise. Sonja Fröses Botschaft ist klar: „Habt den Mut. Wir sind da, um euch zu begleiten. Und ganz ehrlich: Wenn ihr alles alleine könntet, bräuchtet ihr uns ja gar nicht.“
Ein gelungener Urlaub hängt oft nicht nur vom Ziel ab, sondern von der Entscheidung, sich auf Neues einzulassen – und loszufahren. „Im besten Fall entstehen neue Freundschaften, im schlechtesten Fall hat man ein paar Tage entspannt – beides ist Gewinn.“
Bewegende Momente: Wenn Reisen Erinnerungen schaffen
Ein Erlebnis ist Sonja Fröse besonders in Erinnerung geblieben: Ein älterer Herr mit fortgeschrittener Demenz, den sie bereits aus einer früheren Reise kannte – dort eher mürrisch – wurde auf der nächsten Tour plötzlich charmant, offen, singend. „Abends saßen wir gemeinsam im Strandkorb, und er sang Seemannslieder – das war so berührend. Es zeigte mir: Es lohnt sich immer, Menschen eine zweite, dritte oder vierte Chance zu geben.“
Finanzierung von betreuten Seniorenreisen:
Welche Zuschüsse gibt es?
Die Reisekosten – Unterkunft, Anreise, Verpflegung – müssen in der Regel selbst getragen werden. Für die Betreuungskosten können allerdings Mittel aus der Verhinderungs- oder Entlastungspflege beantragt werden, sofern ein Pflegegrad vorliegt.
Auch manche Stiftungen oder Fördervereine bieten Unterstützung. „Es lohnt sich, vorab genau hinzusehen und Hilfe bei der Beantragung zu suchen“, rät Sonja Fröse.
Die Zukunft der Reiseassistenz:
Ein Beruf mit Herz und Perspektive
Sonja Fröses Arbeit ist nicht nur Beruf, sondern Herzenssache. Umso mehr wünscht sie sich, dass die Reiseassistenz als ernstzunehmendes Berufsbild etabliert wird – mit entsprechender Qualifikation und Anerkennung.
Auch politisch gäbe es viel zu tun. Und natürlich kann jeder etwas dazu beitragen, dass das Reisen ohne unnötige Barrieren möglich ist. „Es muss nicht immer gleich ein Aufzug sein – manchmal reicht es, eine Tür nicht mit Deko zuzustellen oder barrierefreie Toiletten nicht als Lagerraum zu nutzen“, sagt sie. Und weiter: „Barrierefreiheit nützt nicht nur Menschen mit Rollstuhl. Sie hilft auch Eltern mit Kinderwagen, Menschen mit Gepäck – eigentlich allen.“
Mehr Infos über Sonja Fröse und ihre Arbeit gibt es hier
Claudia Mattheis
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