Wie möchten wir im Alter wohnen? Die Babyboomer-Generation tritt ins Rentenalter ein – und stellt Städte und Gemeinden vor neue Herausforderungen. Eine aktuelle Studie zeigt, wie altersgerechtes Wohnen gelingen kann und welche innovativen Konzepte jetzt gefragt sind.
Dringend benötigt: Strategien der Kommunen für das Wohnen im Alter
Die meisten Menschen wünschen sich, in ihrer vertrauten Umgebung alt zu werden.
Doch während die Babyboomer-Generation zunehmend ins Rentenalter eintritt, stehen viele Kommunen vor großen Herausforderungen: Bezahlbarer Wohnraum, altersgerechte Anpassungen und neue Wohnformen sind gefragt.
Die Studie „Ageing in Place“ des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung und der Körber-Stiftung zeigt mit Blick auf die alternde Babyboomer-Generation, wie Städte und Gemeinden gutes Wohnen im Alter ermöglichen können. Wir haben die Studie gründlich gelesen, hier unsere Zusammenfassung.
Was heißt „Ageing in Place“?
So lange wie möglich selbstbestimmt und eigenständig in vertrauter Umgebung zu leben – das ist das Ziel. Doch das erfordert weit mehr als barrierefreie Wohnungen. Gefragt sind neue Nachbarschafts- und Wohnkonzepte mit flexiblen Pflege- und Dienstleistungsoptionen.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Fast alle möchten zu Hause alt werden:
„Die Lebensqualität im Alter wird wesentlich davon bestimmt, wie Menschen wohnen.“ - Mangelnde Barrierefreiheit ist ein Problem:
85 % der Wohnungen über 64-Jähriger haben keinen stufenlosen Zugang. - Eigentum dominiert:
Über die Hälfte der Babyboomer geht mit Wohneigentum in die Rente – oft mit zu viel Wohnfläche. - Soziale Einbindung ist essenziell:
Nachbarschaft, medizinische Versorgung und kulturelle Angebote sind für ein gutes Leben im Alter entscheidend. - Kommunen sind gefragt:
Städte müssen innovative Konzepte für altersgerechtes Wohnen und generationenübergreifende Quartiere entwickeln.
Babyboomer: Die „Generation der Vielen“ tritt ins Rentenalter ein
Die Babyboomer, geboren zwischen 1955 und 1970, stellen mit 29 % einen großen Teil der deutschen Bevölkerung. Die größte Kohorte unter ihnen wird bis 2031 das Rentenalter erreichen. Sie unterscheiden sich deutlich von vorherigen Generationen:
- Sie sind höher gebildet und wirtschaftlich besser gestellt als ihre Eltern.
- Sie haben weniger Kinder und sind insgesamt gesünder.
- Viele sind technikaffin und offen für innovative Wohn- und Lebenskonzepte.
- Sie haben gesellschaftliche Veränderungen wie die Öko-Bewegung der 80er, den Mauerfall oder die Emanzipation der Frauen miterlebt – und oft mitgestaltet.
„Das krankenhausähnliche Altenheim am Rande der Stadt hat ausgedient“, sagt Sabine Sütterlin, Autorin der Studie. „Die Babyboomer treten nicht nur in großer Zahl, sondern auch mit neuen Ansprüchen ans Wohnen ins Ruhestandsalter ein.“
Wohnen im Alter:
Welche Herausforderungen gibt es für die Kommunen?
1. Ist der Wohnraum altersgerecht?
Viele Senioren leben in Wohnungen oder Häusern, die nicht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Hohe Treppen, enge Badezimmer oder fehlende Aufzüge erschweren den Alltag.
„Von der jungen Familie mit zwei Kindern bis hin zur Pflegebedürftigkeit im Alter – Wohnraum sollte sich mit den Lebensumständen verändern“, so Sabine Sütterlin. Doch viele Babyboomer zögern, ihr Zuhause rechtzeitig altersgerecht umzubauen oder sich nach alternativen Wohnformen umzusehen.
Zürich geht mit gutem Beispiel voran: Die Stadt hat die „Altersstrategie 2035“ entwickelt, die darauf abzielt, Älteren ein möglichst langes, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. „Altersgerechtes Wohnen bezieht sich nicht nur auf die eigenen vier Wände, sondern auf das gesamte Quartier“, erklärt Catherina Hinz, Direktorin des Berlin-Instituts. „Abgesenkte Bürgersteige, verkehrsberuhigte Bereiche mit Bänken und Nachbarschaftsnetzwerke sind nur einige der vielen kommunalen Aufgaben auf dem Weg zur altersfreundlichen Stadt.“
2. Zu viel Wohnfläche, die anderswo gebraucht wird
Die Babyboomer-Generation wohnt im Durchschnitt auf deutlich mehr Quadratmetern als jüngere Generationen. Das liegt daran, dass viele von ihnen in Einfamilienhäusern leben, in denen sie ihre Kinder großgezogen haben.
Doch was passiert, wenn die Kinder ausziehen oder der Partner verstirbt? Viele Ältere bleiben in ihren zu großen Wohnungen oder Häusern, obwohl Wohnraum in Städten dringend benötigt wird. Gleichzeitig halten steigende Mieten und emotionale Bindungen viele davon ab, in eine kleinere, barrierefreie Wohnung umzuziehen.
Die Studie schlägt daher vor, gezielt attraktive Wohnalternativen zu schaffen, die Älteren den Umzug erleichtern. „Wenn wir Älteren die passenden Wohnmöglichkeiten bieten, können wir wertvolle Wohnfläche für jüngere Familien freigeben“, so Sütterlin.
3. Können wir uns Wohnen im Alter leisten?
Vor allem in Ballungsräumen steigen die Miet- und Nebenkosten rasant. „Bedarfsgerechter Wohnraum bedeutet auch, dass er bezahlbar ist“, stellt die Studie fest.
Fast zwei Drittel der Babyboomer-Mieter zahlen aktuell eine Warmmiete bis 750 Euro – doch steigende Energiepreise könnten dies schnell ändern. Städte und Gemeinden können hier steuernd eingreifen, indem sie etwa Wohnraum gezielt für Ältere und Geringverdiener zur Verfügung stellen.
4. Neue Wohntrends sind auf dem Weg
Die kommende Altengeneration gilt als innovationsfreudig und technikaffin. Smart-Home-Technologien, Telemedizin und digitale Assistenzsysteme können helfen, das selbstständige Leben im Alter zu verlängern.
Neue soziale Wohnformen wie Alten-WGs, Mehrgenerationenhäuser oder Cluster-Wohnprojekte zeigen, dass alternative Modelle funktionieren. „Es geht darum, neue Wege zu gehen und den Wandel aktiv zu gestalten“, so die Studie.
5. Was können Städte und Gemeinden tun?
- Wohnraum flexibler gestalten:
Umzüge erleichtern, Wohnungstauschbörsen einrichten, alternative Wohnformen fördern. - Barrierefreie Umbauten unterstützen:
Förderprogramme für Umrüstungen, bessere Beratungsangebote. - Innovative Wohnformen ermöglichen:
Alten-WGs, Mehrgenerationenhäuser und betreutes Wohnen gezielt fördern. - Technologien nutzen:
Smart-Home-Lösungen und digitale Assistenzsysteme in den Wohnalltag integrieren. - Infrastruktur altersfreundlich gestalten:
Abgesenkte Bürgersteige, sichere Fußwege, verkehrsberuhigte Bereiche, gute Nahversorgung.
Wie gelingt die Zukunft des Wohnens im Alter?
Die demografische Entwicklung zeigt: Die Zahl der älteren Menschen wächst – aber das bedeutet nicht, dass klassische Altenheime die einzige Lösung sind. Kommunen haben die Chance, durch gezielte Maßnahmen lebendige und altersfreundliche Städte zu gestalten.
„Wir müssen den Wohnraum neu denken – und zwar generationenübergreifend.“
Die Babyboomer-Generation bringt Herausforderungen mit sich – aber auch Chancen. Wenn Kommunen vorausschauend planen, können sie nicht nur das Wohnen im Alter verbessern, sondern auch die gesamte Stadt lebenswerter gestalten.
Die Studie „Ageing in Place – Wohnen in der altersfreundlichen Stadt“
steht Ihnen kostenlos als Download zur Verfügung:
Die Publikation wurde vom Berlin-Institut in Zusammenarbeit mit der Körber-Stiftung erstellt.
LIVVING Podcast mit Sebastian Brüning: Der Architekt, der Barrieren überwindet
Studie: Mehrheit der Deutschen offen für alternative Wohnformen
Buchtipp: Freunde machen gesund
Trendstudie Wohnen in der Gemeinschaft: 82 Prozent wollen im Alter in einer WG wohnen
Filmtipp SWR Roomtour: Neue Wohnformen für Alt & Jung von Tiny House bis Mehrgenerationen-Villa
Neue Wohnformen für Alt & Jung von Tiny House bis Mehrgenerationen-Villa