In welchem Alter hat man die Midlife Crisis? Wie äußert sie sich? Wie wirkt sie sich aus? Was kommt nach der Krise in der Mitte das Lebens?
Meine ganz persönliche Erfahrung (als Mensch, als Mann und als ich) mit meiner eigenen Midlife Crisis, ohne wissenschaftlichen Anspruch 😉

Wann beginnt eine Midlife Crisis?
Studien sagen, ab einem Alter von 35 bis 45 Jahren. Dann ist man im Beruf angekommen, hat Familie und vielleicht ein Haus. Gleichzeitig verändert sich die Beziehung zu den Eltern. Denn langsam muss man sich um sie kümmern, vorher war es umgekehrt. Bei mir hat die Krise mit etwa 50 Jahren begonnen.
Wie äußert sich die Midlife Crisis?
Mit Unsicherheit. Hatte ich bis dahin das Gefühl, mitten im Leben zu stehen, noch alles ändern zu können mit dem Gedanken: „Ich habe noch Zeit!“, so stand ich plötzlich vor der Frage: „Habe ich noch Zeit?“. Ich ertappte mich bei dem Gedanken: „Warum sollte man neue Häuser bauen, Kinder in die Welt setzen …?“ Der Geruch von frischer Wandfarbe, von gerade gesägtem Holz oder von frisch gemähtem Gras machte mich traurig. Alles stand für Aufbruch, Neuanfang. Aber wozu? Bald wäre doch ohnehin alles vorbei …
Ich war völlig egozentrisch und setzte die ganze Welt in Beziehung zu meinem baldigen Ende.
Ich wollte jünger wirken
War der Blick auf jüngere Männer davor eher milde und nachsichtig wegen deren Unerfahrenheit, begann ich nun eifersüchtig zu werden. Auf deren Jugend, deren Unbekümmertheit, auf deren Zukunft mit ihren scheinbar unendlichen Möglichkeiten.
Hatte ich mir vorher kaum Gedanken über meine Kleidung gemacht, begann ich jetzt argwöhnisch das Outfit jüngerer Männer zu beobachten. Ich wollte herausfinden, ob ich mich allein durch meinen Kleidungsstil schon als alt oute. So wie ich als Jugendlicher die modischen Unterschiede zu älteren Männern intuitiv sofort wahrgenommen hatte.
Nein, ich hatte mir nicht klischeehaft ein Motorrad oder einen Porsche gekauft oder mir eine jüngere Geliebte „zugelegt“. Aber ich hatte mir die Haare gefärbt. Wie peinlich!
Plötzlich konnte ich Zeiträume überblicken
Denn plötzlich konnte ich den Zeitraum eines Lebens von 50 Jahren überblicken. Ich hatte ein Gefühl dafür, was man in 50 Jahren alles tun, schaffen und erleben kann. Jetzt waren die Jahre, die ich bisher gelebt hatte, mehr, als ich noch zu erwarten hatte. Es wurde überschaubar. Diese Welt für immer verlassen zu müssen. Und das war erschreckend.
Wie lange dauert die Midlife Crisis?
Bei mir waren es etwa 3 bis 4 Jahre. Ich hätte damals in meiner Krise nicht darüber schreiben können. Ich konnte auch kaum mit Freunden darüber reden. Und ich hatte auch depressive Phasen. Glücklicherweise nicht ständig. Denn natürlich hatte ich in dieser Zeit auch viele schöne, inspirierende und glückliche Momente.
Was sollte ich noch aus meinem Leben machen?
Könnte ich meinem Leben noch eine ganz andere Richtung geben? Was waren meine Träume im Alter von 20, 25, 30? Damals wollte ich Künstler werden. Oder Filmemacher, Schriftsteller, Wissenschaftler, Politiker … Und natürlich einer der besten. Ich wollte berühmt werden, oder zumindest angesehen und gefragt. 😉 Und Geld genug haben, um viel zu reisen und gut zu leben.
Schaffe ich das noch? Und will ich das überhaupt noch?
Von inzwischen über 8 Milliarden Menschen (als ich 1959 geboren wurde, waren es erst 3 Milliarden!) könnte ich vielleicht 100 aufzählen, die es zu Weltruhm gebracht haben. Vielleicht 200, wenn ich 2.000, 3.000 Jahre zurückginge und Aristoteles, Sokrates usw. mit einbeziehen würde.
Ein Rechenbeispiel
Es wird gesagt, dass man mindestens 10.000 Stunden braucht, um ein Meister auf einem Gebiet zu werden. Wenn man jeden Tag 8 Stunden übt, sind das 1.250 Tage. Das wären ungefähr 3,5 Jahre, wenn man jeden Tag 8 Stunden üben würde. Das ist unrealistisch. Keine Wochenenden, keine Feiertage, kein Urlaub. Also eher 5 bis 6 Jahre. Aber niemand würde dafür, egal was es auch sein mag, am Anfang Geld bezahlen. Also ist man entweder sehr vermögend oder man muss nebenbei irgendeine bezahlte Arbeit annehmen. Dann verlängert sich der Zeitraum schon mal auf 10 bis 20 Jahre.
Grob gerechnet: 2 Stunden pro Tag, 10 Stunden pro Woche x 50 Wochen macht 500 Stunden pro Jahr. Das sind 20 Jahre, um auf 10.000 Stunden zu kommen. Hoffentlich stimmt das, ich war noch nie gut in Mathe 😉
Die Endlichkeit des Lebens vor Augen
Ein Schulfreund von mir starb plötzlich vor unseren Augen an einem Herzinfarkt, als wir uns zur 45-jährigen Abiturfeier im Biergarten trafen und uns fröhlich unterhielten. Im Alter von 64 Jahren. Eigentlich kann man sich keinen schöneren Tod wünschen. Wäre er nicht so früh gekommen.
Ich wollte jünger wirken
War der Blick auf jüngere Männer davor eher milde und nachsichtig wegen deren Unerfahrenheit, begann ich nun eifersüchtig zu werden. Auf deren Jugend, deren Unbekümmertheit, auf deren Zukunft mit ihren scheinbar unendlichen Möglichkeiten.
Hatte ich mir vorher kaum Gedanken über meine Kleidung gemacht, begann ich jetzt argwöhnisch das Outfit jüngerer Männer zu beobachten. Ich wollte herausfinden, ob ich mich allein durch meinen Kleidungsstil schon als alt oute. So wie ich als Jugendlicher die modischen Unterschiede zu älteren Männern intuitiv sofort wahrgenommen hatte.
Nein, ich hatte mir nicht klischeehaft ein Motorrad oder einen Porsche gekauft oder mir eine jüngere Geliebte „zugelegt“. Aber ich hatte mir die Haare gefärbt. Wie peinlich!
Plötzlich konnte ich Zeiträume überblicken
Denn plötzlich konnte ich den Zeitraum eines Lebens von 50 Jahren überblicken. Ich hatte ein Gefühl dafür, was man in 50 Jahren alles tun, schaffen und erleben kann. Jetzt waren die Jahre, die ich bisher gelebt hatte, mehr, als ich noch zu erwarten hatte. Es wurde überschaubar. Diese Welt für immer verlassen zu müssen. Und das war erschreckend.
Was hilft bei einer Midlife Crisis?
Frühzeitig und immer wieder überprüfen, ob mein Leben so ist, wie ich es mir erträumt oder vorgestellt hatte. Oder ob sich meine Träume geändert haben. Ob sie der Realität standgehalten hätten. Mit den spezifischen Eigenschaften, Talenten und Fähigkeiten, die ich habe (oder nicht habe) und den Umständen, von denen ich umgeben war. Was kann ich jetzt (noch) ändern?
Jeder Mensch wird jeden Tag einen Tag älter
Was mir ab und zu ebenfalls geholfen hatte, war die (vollkommen banale) Erkenntnis, dass ich nicht allein bin. Dass jeder Mensch jeden Tag einen Tag älter wird. Und dass ich als 50-Jähriger den Jüngeren so viele Jahre an Leben, Erfahrung, Lust, Liebe, Erlebnissen, Abenteuern voraushabe, die mir niemand nehmen kann. Und davon hatte ich wirklich genug.
Und Zuspruch. Meine damals 20-jährige Patentochter meinte einmal zu mir, als ich auf mein Alter zu sprechen kam, erstaunt: „Hä? Ich sehe dich nicht als alten Mann, sondern einfach als du, als der Mensch, der du bist!“ Das hatte mir sehr geholfen.
Was kommt nach einer Midlife Crisis?
Ein gutes Gefühl. Ein Gefühl der Zufriedenheit. Dass ich in meinem Leben nicht alles falsch gemacht hatte. Denn ich hatte mich ja (meist) aus guten Gründen für oder gegen etwas entschieden. Manchmal auch aus einer Laune, aus Gefühlen heraus. Aber das war ich. Es war immer meine Entscheidung. Aus der jeweiligen Situation heraus, in der ich mich gerade befand. Und ich habe von all den früheren Träumen einiges umgesetzt. Das mit den vielen Reisen und einem guten Leben hat geklappt. Das mit dem berühmt sein weniger 😉 . Aber das ist auch gut so.
Die U-Kurve des Glücks
Statistisch gesehen befindet sich die Lebenszufriedenheit im Alter von etwa 45 Jahren am unteren Ende einer U-Kurve. Danach steigt sie wieder an. Forscher sprechen in diesem Zusammenhang von einer „U-Kurve des Glücks“, die in allen Kulturen auftritt. In der Kindheit und Jugend ist das Glücksempfinden am höchsten, ebenso im Alter.
Die drei Phasen des Lebens
Der Philosoph Max Stirner hatte in seinem Buch „Der Einzige und sein Eigentum“ die drei Phasen des Lebens so beschrieben: Idealismus in der Jugend, Realismus als Erwachsener und Egoismus im Alter.
Wobei Egoismus nicht gleichzusetzen ist mit einer Ellbogenmentalität, sondern nur aussagt, dass man sich mehr darum bemüht, was einem selbst gut tut, und sich nicht mehr um (unsinnige) gesellschaftliche Konventionen kümmert.
Innere Ruhe und Ausgeglichenheit
Die Lebenszufriedenheit stieg bei mir danach wieder steil an. Ich hatte mich damit abgefunden, sterblich zu sein. Wie jeder andere Mensch. Aber ich weiß jetzt viel besser, was ich will und was nicht. Was ich kann und was nicht. Was ich brauche und was ich nicht mehr brauche. Zum Beispiel keinen Wettbewerb unter Alpha-Männchen 😉 . Oder überhaupt irgendeinen Wettbewerb. Ich kann den Augenblick, meine innere Ruhe und Ausgeglichenheit viel besser genießen. Was nicht heißt, dass ich dennoch manchmal in einigen Punkten etwas unsicher bin. Und selbstverständlich nicht alles weiß. Aber begierig bin, noch vieles zu lernen.
Älter werden spielt keine Rolle
Das Gute am Älterwerden ist, dass es so langsam geht. Und dass das Alter eigentlich in den allerwenigsten Bereichen tatsächlich eine Rolle spielt. Wir selbst sind es, die öfter damit hadern und den Blick der anderen mit unserem Selbstbild vergleichen. Nur punktuell spüren wir es tatsächlich. Wenn wir zum Beispiel Klimmzüge wie früher machen wollen, oder im Vertrauen auf unsere (jugendlichen) Kräfte aus dem Wasser auf ein SUP klettern wollen und plötzlich feststellen, dass das nicht mehr ganz so easy geht 😉
Oder wenn wir Freund:innen von früher treffen, die wir jahrelang nicht gesehen hatten. Wenn wir erschrocken feststellen, wie sehr die doch gealtert sind – allerdings nur im Aussehen, selten in ihrer Art und ihrem Humor.
In 10 Jahren kann man viel erreichen
Und dennoch, in einem Jahr, oder in 5 Jahren, in 10 Jahren kann ich noch viel schaffen, vieles gestalten, und noch so vieles erreichen, so vieles erleben. Nichts ist (völlig) unmöglich!
Ich habe 65 Jahre gelebt
Und heute, nach 65 Jahren Leben, kann ich locker über meine Midlife Crisis schreiben. Sogar mit einem Augenzwinkern;) Ich stehe dazu, dass ich 65 Jahre „alt“ bin. Und ich nehme zum Beispiel die Werbeikone Michael Conrad als Vorbild, der im Alter von 80 Jahren anfängt, Klavierspielen zu lernen!
Wir haben nur ein Leben
Denn wir haben nur dieses eine Leben. Nicht mehr – aber eben auch nicht weniger!
Alles andere ist Glaube – oder Hoffnung.
„Man kann sich mit gutem Essen vollstopfen oder versuchen, ein Lebenswerk zu erschaffen“, Claude Chabrol, Filmemacher der Nouvelle vague.
„Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.“ Seneca, griechischer Philosoph.
Siegbert Mattheis
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